Deutsches
Schauspielhaus
Mittwoch
02.11.2016 20.00
Uhr
Kirchenallee 39, Hamburg
Eintritt: 9 / 15
Euro
Plädoyer für das Unreine:
Carolin Emcke liest aus ihrem neuen Buch Gegen den Hass. Ein Gespräch
mit der Publizistin und Journalistin führt Nils Minkmar.
Das große Publikum in
Deutschland kennt Carolin Emcke aus einer Kolumne, die in der Wochenendausgabe
der Süddeutschen Zeitung erscheint. Unter dem Titel von meist nur einem Wort
wie „Übersetzen“, „Macht“, „Heimat“, „Anfangen“ oder auch „Radiohören“ schreibt
sie über alles, was gerade die Welt bewegt, über Krisenschauplätze, Politik,
Gesellschaft und ganz Alltägliches. Mit ihrem neuen Buch wendet sich die im
Oktober mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete
Kriegsreporterin, Publizistin und Philosophin nun Gegen den Hass und die
zunehmende Polarisierung der Öffentlichkeit in Deutschland.
„Es gab in den letzten
Jahren“, schreibt Emcke im Vorwort zu ihrem Buch, „ein zunehmend artikuliertes
Unbehagen, ob es nicht doch langsam etwas zu viel sei mit der Toleranz, ob
diejenigen, die anders glauben, anders aussehen oder anders lieben, nicht
langsam auch mal zufrieden sein könnten.“ Ganz so, als gäbe es eine Art
„Obergrenze für Gleichberechtigung“, als hätte man jetzt, ob für Frauen oder
Schwule, langsam genug getan, genug Toleranz gegenüber Anderen aufgebracht.
Gleichzeitig wird, ob bei Demonstrationen oder in sozialen Netzwerken, „offen
und hemmungslos gehasst“. Ein Phänomen, das es in der Bundesrepublik so bisher
noch nicht gab, wie Emcke feststellt. Und sie will „die neue Lust am
ungehemmten Hassen nicht normalisiert sehen“, weder hier noch in Europa oder
anderswo. In einer Kolumne hat sie gegen den zunehmenden Fanatismus unter dem
Titel „Singular“ für „das abweichende Individuelle, das einzigartige, zarte
Subjektive“ plädiert, „nicht zuletzt, weil es das ist, was dem terroristischen
Wahn am meisten widerspricht“. In ihrem Buch begegnet sie dem Hass und
Fanatismus vor allem mit einem „Lob des Unreinen“. In der Behauptung der
eigenen „Reinheit“ gegenüber den „Anderen“, sieht sie den Nährboden sowohl des
ideologischen Programms des IS als auch jenen für die Fanatisierung der
westlichen Gesellschaften, in denen der Ruf nach einer ursprünglichen, einer
natürlichen Ordnung und Tradition, einer angeblich früher einmal „reinen“
Gesellschaft immer größer wird. Die Argumente werden schon lange propagiert,
zum Beispiel von Dr. Nicolaus Fest, der vor Jahren in der BILD „über Migration
und Multi-Kulti“ schrieb: „Nachdem vor nicht einmal 80 Jahren ganze Völkerschaften
der inneren Stabilität Europas geopfert wurden, scheinen die Vorteile homogener
Gesellschaften inzwischen fast vergessen.“ Durch „mimetische Anpassung“ lassen
sich solche Vorstellungen des Reinen und Schlichten, die tatsächlich nie
kennzeichnend für Europa waren, nicht bekämpfen. Carolin Emcke setzt ein
„Plädoyer für das Unreine und Differenzierte“ dagegen und die Forderung nach
Empathie, auch wenn sie manchmal schwerfällt.
Gegen den Hass von Carolin
Emcke ist
bei S.
Fischer erschienen.
(JK 10/16)
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