Buchhandlung
Heymann
Donnerstag, 30.03.2017 19.30
Uhr
Erik-Blumenfeld-Platz 27, Hamburg
Eintritt: 7 Euro
Mit Der Geschmack von Apfelkernen, der in 26 Sprachen übersetzt und
fürs Kino verfilmt wurde, hat Katharina Hagena 2008 ein großartiges Debüt
vorgelegt. Nach Vom Schlafen und
Verschwinden (2012) ist im letzten Herbst bei Kiepenheuer & Witsch ihr
neuer Roman Das Geräusch des Lichts
erschienen. Eine grandiose kanadische Rhapsodie, die von fünf Suchenden
erzählt. In der Buchhandlung Heymann stellt Katharina Hagena den Roman vor.
Auf den
ersten Blick klingt der Plot von Katharina Hagenas Das Geräusch des Lichts fast nach einer Creative-Writing-Aufgabe,
doch die Literaturwissenschaftlerin, die zwei Bücher über James Joyce vorlegte,
bevor sie selbst ins belletristische Fach wechselte, hat ihre Geschichte klug
arrangiert: „Grammatik ist Struktur, das Gegenteil von Warten“, heißt es in dem
Roman, der einer universalpoetischen Spur folgt, ohne großes Aufhebens darum zu
machen.
Botanik
und Kunst, Zoologie, Philosophie und Esoterik, Katharina Hagena hat in ihre
Geschichten von fünf Menschen, die in einem Wartezimmer zusammenkommen, eine
ganze Menge von jenem Stoff untergebracht, der nicht, wie eine Fiktion, „unter
dem Verdacht der Lüge steht“.
Daphne
etwa, die sich auf den Weg gemacht hat, um ihre Freundin und Kollegin Thekla in
Kanada aufzuspüren, erforscht im Biozentrum des Botanischen Gartens Moose und
Flechten, während Thekla sich dem Erforschen von Wasserbären widmet, einem
winzigen „wirbellosen Wesen“, das sogar „eine Menge Spaß“ haben kann: „Mit
Männern, mit Frauen, mit sich selbst, sie tun und lassen, was ihnen gefällt.“
In Kanada entdeckt Daphne dann ein Geheimnis ihrer Freundin, die selbst jedoch
verschwunden bleibt. Erst später taucht sie wieder auf, im Mikroskop von
Daphne, sie sitzt auf einem Lebermoosblatt „und nestelt an ihrem offenen Haar“.
Daphne entschließt sich daraufhin, besser einen Neurologen aufzusuchen.
Der
Musiker, dem wir im zweiten Teil des Romans begegnen, versucht, in Trauer um
seine Frau Eva, den Sound des Nordlichts aufzuzeichnen. Er lebt in einem
„dottergelben Hausboot“ auf einem See in den Northwest Territories und wartet.
Auf das Nordlicht und vielleicht auch auf eine Erleuchtung darüber, was ihn aus
seinem wohlsortierten Leben gerissen hat und was Eva zugestoßen ist.
Der
zwölf-jährige Richard Deutsch hat da ganz andere Probleme: Er ist kein Tschu
und kann deshalb auch nicht wie seine verschwundene Schwester und seine Mutter
auf dem Planeten Tschu leben. Stattdessen kümmert er sich um Hydranten, bzw. um
alles, was ihm Zugang in diese andere Welt Tschu verspricht, und um
Kaugummiautomaten. Das auch. Sogar in Kanada, wo er mit seinem Vater in den
Ferien unterwegs ist.
Schließlich
ist da noch diese verwirrte Dame: „In ihrem leeren Blick ist jede Geschichte
aufgehoben.“ Zuletzt erfindet sich die Erzählerin, die nun alleine im
Wartezimmer sitzt ihre eigene Geschichte. Sie kreist um die skrupellosen
Verbrechen einer Ölfirma, durch die sie selbst in Lebensgefahr gerät. Wie durch
die vorangegangenen Geschichten auch verwandelt sich das Warten, das
„eigentlich bewachen heißt“, durch das Erzählen in ein Erinnern, das zugleich
ein Vergessen ist, weil es hinausführt aus einer unerträglichen Situation.
„Unterschätzen sie niemals die Moose“, die sich in ihrer Vielfalt und Schönheit
erst zeigen, wenn man genau hinsieht, kann man hier noch einmal zitieren, um Geräusch des Lichts schließlich als
einen wunderbar verspielten und klugen Roman über die Macht der Fantasie zu
empfehlen.
Katharina
Hagena, geboren in Karlsruhe, lebt als freie Schriftstellerin mit ihrer Familie
in Hamburg.
Das
Geräusch des Lichts von Katharina
Hagena ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen.
(JK 03/17)
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