Lüders
Buchhandlung + Antiquariat
Freitag, 23.06.2017 20.00 Uhr
Heußweg 33, Hamburg
Eintritt: 7 / 10 Euro
Es ist ein schönes Verb, das noch
im 19. Jahrhundert gebräuchlich war, mit dem Deborah Feldman ihr soeben neu
erschienenes Buch überschrieben hat: Überbitten.
Im Jiddischen heißt das „Iberbetn“ und bedeutet Versöhnen. Es ist ein innerer
Prozess, der in ihrem Buch auf mehreren Ebenen greift und getragen wird von dem
machtvollen Impuls der Hoffnung und Sehnsucht, ein neues Leben zu finden. In
der Buchhandlung Lüders stellt Deborah Feldman ihr Buch Überbitten vor, das im Secession Verlag erschienen ist.
Bei den
ultraorthodoxen Satmarer Chassidim, in deren Gemeinde die 1986 in New York
geborene Schriftstellerin hineingeboren wurde, ist das Iberbetn ein
alltägliches Ritual: Zwei Menschen bitten einander um Verzeihung mit der
gegenseitigen Verpflichtung, sich zu versöhnen. Doch die Satmarer Chassidim
glauben auch, dass die Shoah eine Strafe für das allzu weltliche Leben der
Juden war und führen ein streng reglementiertes und von allen äußeren
Einflüssen abgeschirmtes Leben, um Gottes Zorn zu versöhnen. Ehen werden in
dieser strengen Welt arrangiert, Sexualität ist ein Tabu, im Alltag wird
Jiddisch gesprochen, Englisch gilt als unreine Sprache. Nach Schätzungen zählt
die Gemeinde heute 120.000 Mitglieder, sie gewährt ein Netz an Sicherheiten und
keinerlei Freiheit.
Vor
sieben Jahren ist Deborah Feldman mit ihrem kleinen Sohn aus dieser Enge und
einer lieblosen Ehe ausgebrochen. In ihrem Buch Unorthodox, erschienen 2012, das in den USA zu einem
Millionen-Bestseller wurde und auch in Deutschland in den Bestsellerlisten
stand, erzählt sie ehrlich, analytisch klug und dabei literarisch höchst
anspruchsvoll von ihrer Kindheit und Jugend und ihrer Befreiung von den Fesseln
des religiösen Fundamentalismus. Überbitten
beschreibt nun den inneren Prozess der Versöhnung jener Person, die Deborah
Feldman als Mädchen und Jugendliche war, mit jener, die sich ein eigenes Leben
erobert und dafür den Sprung ins Ungewisse wagen muss.
In den
ersten Jahren ihrer Abnabelung lebt sie mit ihrem Sohn in New York, doch immer
häufiger zieht es sie nach Europa. Auf den Spuren ihrer Vorfahren reist sie
nach Paris, Spanien und Ungarn, wo ihre Großmutter einmal zu Hause war, die
Auschwitz und das Konzentrationslager Bergen-Belsen überlebte. Deutschland ist
die „unvermeidbar letzte Station“ auf ihrer Reise. Gleich nach ihrer Ankunft
lernt sie einen „echten Deutschen“ kennen, er heißt Markus und ist
„hundertprozentig authentisch, Nachkomme von Nazis“. Mit dieser Begegnung ist
nicht nur eine große Auseinandersetzung in Gang gesetzt, Deborah Feldman findet
in ihr auch einen Zugang zu einem Land, das ihr bei den Satmarer Chassidim als
Inbegriff des Bösen erschienen war.
Am Ende
ist es eine Stadt, in die sie sich verliebt: Berlin. Seit 2014 lebt Deborah
Feldman dort, und sie hat einen langen Kampf um die deutsche Staatsbürgerschaft
ausgefochten. Die „einzelnen Fäden“ haben sich gefügt – für eine Geschichte,
die sich erzählen lassen wird. Ihr Buch Überbitten
ist ein Anfang für diese Geschichte, eine große Etüde, die das Unmögliche
überwindet.
Überbitten
von Deborah
Feldman ist bei Secession erschienen.
(JK 06/17)
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