10.
Harbour Front Literaturfestival
Nochtspeicher
Samstag, 15.09.2018 19.00
Uhr
Bernhard-Nocht-Str. 69, Hamburg
Eintritt: 10 Euro
In den insgesamt vier Debütantensalons bewerben
sich jeweils zwei Autorinnen und Autoren um den mit 10.000 Euro dotierten
Klaus-Michael Kühne-Preis, der am 21.September im Rahmen einer Lesung mit
Inger-Maria Mahlke vergeben wird. Am 2. Abend stellen Katharina Adler und
Philipp Weiss ihre Debütromane vor. Petra Bamberger moderiert.
Sie ist eine der
bekanntesten Patientinnen des 20. Jahrhunderts: Dora, das jüdische Mädchen mit
der „petite hystérie“ und einer äußerst verschlungenen Familiengeschichte. Dora,
die kaum achtzehn war, als sie es wagte, ihre Kur bei Sigmund Freud vorzeitig zu
beenden, und ihn, wie er es fasste, „um die Befriedigung [brachte], sie weit
gründlicher von ihrem Leiden zu befreien.“ Kaum achtzehn Jahre war sie alt, als
sie es wagte, ihre Kur bei Sigmund Freud vorzeitig zu beenden. Ihr wahrer Name
ist Ida und Katharina Adler erzählt ihre Geschichte.
Für Katharina Adler war
die widerständige Patientin lange nicht mehr als eine Familien-Anekdote: ihre
Urgroßmutter, die – nicht unter ihrem wirklichen Namen und auch nicht für eine
besondere Leistung – zu Nachruhm kam, und dabei mal zum Opfer, mal zur Heldin
stilisiert wurde. „Nach und nach wuchs in mir der Wunsch, dieses Bild von ihr
zu ergänzen, ihm aber auch etwas entgegenzusetzen. Ich wollte eine Frau zeigen,
die man nicht als lebenslängliche Hysterikerin abtun oder pauschal als Heldin
instrumentalisieren kann. Eine Frau mit vielen Stärken und auch einigen
Schwächen, die trotz aller Widrigkeiten bis zuletzt um ein selbstbestimmtes
Leben ringt.“
Von ihr, von Ida'
handelt dieser mitreißende Roman. Mit großem gestalterischem Weitblick und
scharfem Auge für jedes Detail erzählt Katharina Adler die Geschichte einer
Frau zwischen Welt- und Nervenkriegen, Exil und Erinnerung. Eine Geschichte, in
die sich ein halbes Jahrhundert mit seinen Verwerfungen eingeschrieben hat. Ida
ist ein Plädoyer für die Wahrheit der Empfindung und die Vielfalt ihrer
Versionen. Der Roman eines weitreichenden Lebens, das – mit Freuds Praxistür im
Rücken – erst seinen Anfang nahm.
Katharina Adler wurde
1980 in München geboren, wo sie nach Stationen in Leipzig und Berlin heute
wieder lebt. Bereits für das Manuskript ihres ersten Romans, Ida,
erhielt sie das Literaturstipendium des Freistaats Bayern und wurde 2015 für
den Alfred-Döblin-Preis nominiert. 2018, nach Erscheinen des Buches, folgte die
Nominierung für den Klaus-Michael Kühne-Preis und den
ZDF-aspekte-Literaturpreis.
Ida von Katharina Adler ist bei Rowohlt erschienen.
In Am Weltenrand
sitzen die Menschen und lachen, erschienen bei Suhrkamp, zeichnet Philipp
Weiss die Verwandlung der Welt im Anthropozän nach, jener Epoche der
Erdgeschichte, in der der Mensch zur zentralen gestaltenden Kraft geworden ist
– dabei bedient er sich der Stilmittel von Enzyklopädie, Manga, Erzählung,
Audiotranskription und Notizheft. Dabei entwirft dieser kühne Roman ein
Panoptikum unserer fliehenden Wirklichkeit.
Die siebzehnjährige
Paulette erlebt im Jahr 1871 den Aufstand der Pariser Kommune, bereist als eine
der ersten europäischen Frauen das Japan der Meiji-Ära und liegt über
hundertdreißig Jahre im Eis der französischen Alpen geborgen. Die
Klimaforscherin Chantal, ihre Ururenkelin, folgt ihren Spuren nach Fernost,
entwirft eine zynische Geschichte des Universums und entflieht zugleich einer
Liebe und deren umstülpender Kraft. Der von ihr zurückgelassene Künstler Jona
begibt sich auf die Suche, findet in Japan aber nicht Chantal, sondern eine
vielfache Katastrophe: ein Erdbeben, eine Welle, einen Atomunfall. Der
neunjährige Akio läuft tagelang durch zerstörtes Gebiet. Trost findet er bei
Satoshi, einem obdachlosen Tagelöhner und AKW-Nomaden, der langsam an den
Folgen der Strahlung stirbt. Durch einen Phantomschmerz getrieben, irrt die
junge Japanerin Abra durch Tokio und verliert sich in den einsamen Schleifen
ihres virtualisierten Selbst.
Philipp Weiss, geboren
1982 in Wien, studierte Germanistik und Philosophie. Er schreibt Prosa und
Theaterstücke, für die er mehrfach ausgezeichnet wurde. 2009 nahm er mit seinem
Text Blätterliebe am Ingeborg-Bachmann-Preis teil. 2011 gewann er mit
seinem Stück Allerwelt das Hans-Gratzer-Stipendium; das Stück wurde am
Schauspielhaus Wien uraufgeführt, wo er in der Spielzeit 2013/14 Hausautor war.
Ein schöner Hase ist meistens der Einzelne gewann 2015 den Preis der
Theatertage Lyon und erschien auf Französisch in den Éditions Théâtrales
(Montreuil).
Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen von Philipp Weiss ist bei
Suhrkamp erschienen.
(JK 09/18)
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