Michael Ondaatje liest im Rolf-Liebermann-Studio am Dienstag, 11. September

Rolf-Liebermann-Studio
Dienstag, 11.09.2018  19.30 Uhr
Oberstraße 120, Hamburg
Eintritt: 10 / 14 Euro

Stille Korrekturen: Michael Ondaatje liest aus seinem neuen Roman Kriegslicht, der bei Hanser erschienen ist. Matti Krause liest die deutschen Texte. Jan Ehlert moderiert.

Den Heldinnen und Helden im erzählerischen Kosmos von Michael Ondaatje ist gemeinsam, dass sie aus vermeintlich sicheren Koordinaten des Lebens gefallen sind und sich im Ungewissen behaupten müssen. Das Erzählen, das Konstruieren von Geschichten und von Erinnerung ist der Rettungsanker, an dem sie sich dabei festhalten. So ist es in seinem weltberühmten Roman Der englische Patient und nun auch in Kriegslicht. Wie macht man aus einem Sandkorn, aus dem Bruchstück einer Wahrheit, das man entdeckt hat, eine ganze Geschichte? Das ist die existenzielle Frage, die diesen großen Roman vorantreibt.

Es ist September 1945, der Krieg gerade erst zu Ende, als Nathaniel, 14, und Rachel, 16, allein in London zurückbleiben. Während der Vater in Asien auf einen großen Karriereschritt hofft und dabei von seiner Frau begleitet wird, finden sich die Geschwister in der Obhut von Falter und Boxer wieder, „zweier Männer, die möglicherweise Kriminelle“ sind, wie Nathaniel, der Erzähler des Romans, gleich zu Beginn anmerkt. Und auch sonst tauchen im Haus der Familie immer wieder dubiose Gestalten auf, dennoch beginnt für Nathaniel ein neues und beinahe unbeschwertes Leben, in dem die Schule eine immer geringere Rolle spielt. Er arbeitet in einem nahegelegenen Hotel, schmuggelt mit Falter Windhunde, verliert sich an magischen Abenden in leer stehenden Villen mit seiner Freundin Agnes. Und entdeckt mit Rachel, dass ihre Mutter Rose tatsächlich gar nicht mit ihrem Vater verreist ist. Warum hat sie die Familie dann verlassen? In einem actionreichen Mittelstück des Romans taucht Rose unvermittelt wieder auf, ohne den Kindern zu erklären, was vorgefallen ist. Michael Ondaatje lässt die vielen Puzzleteile, Anspielungen und Verweise, die es bis dahin gab, im zweiten Teil des Romans durch einen Erinnerungskünstler zu einem Gesamtbild zusammensetzen: Nathaniel arbeitet inzwischen als Archivar für den Nachrichtendienst und ist vor allem mit den stillen Korrekturen beschäftigt, die sich nach dem Krieg als notwendig erweisen, bewertet Geheimdienstaktionen, sichtet Akten und Dossiers. Dabei entdeckt er auch die wahre Geschichte seiner Mutter, und sie wird ihm zu einem Irrgarten, aus dem er erst wieder herausfindet, als er ganz am Ende dieses an überraschenden Wendungen reichen Romans endlich bei sich selbst ankommt – und seinen ebenfalls nicht immer ruhmreichen Taten.

Michael Ondaatje, 1943 in Sri Lanka geboren, lebt heute in Toronto. Mit seinem Roman Der englische Patient, für den er den Man Booker Prize und zum 50-jährigen Jubiläum des Preises im Jahr 2018 den Golden Man Booker Prize erhielt, wurde er weltberühmt.

Kriegslicht von Michael Ondaatje ist bei Hanser erschienen.

Eine Veranstaltung des Literaturhaus Hamburg.
(JK 09/18)

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