Literaturhaus
Montag, 21.10.2019 20.00
Uhr
Schwanenwik
38, Hamburg
Eintritt: 10 / 14 Euro
Das Knacken der Wahrheit: Colson Whitehead stellt
sein Buch Die Nickel Boys vor, das bei Hanser erschienen ist. Susanne
Weingarten moderiert und Torben Kessler liest die deutschen Texte.
Die Jungs, die im „Nickel“
lebten, erzählten gern, dass die Erziehungsanstalt deshalb so hieße, weil ihr
Leben dort „nicht mal einen Nickel, also fünf Cent wert sei“. Tatsächlich wurde
die Anstalt 1949 nach ihrem Direktor Trevor Nickel benannt, der sich dafür vor
allem mit Reden bei Versammlungen des Klu-Klux-Klans über die „Ertüchtigung der
Moral“ empfohlen hatte. Erst 2014 wurde durch einen Zufall entdeckt, was sich
im „Nickel“ wirklich abgespielt hatte. Colson Whitehead hat die Fakten über die
Vorgänge in der Anstalt in seinen neuen Roman Die Nickel Boys einfließen
lassen. Streckenweise liest sich das Buch wie eine Reportage und brennt sich
dadurch nur umso tiefer ein.
In Underground
Railroad erzählt Colson Whitehead von der Sklaverei in den USA Mitte des
19. Jahrhunderts und von einem Riss, der sich mit ihr über viele Jahrzehnte
quer durch die Gesellschaft zog. Bis heute bricht dieser Riss immer wieder auf
und lässt dann in tiefe Abgründe blicken. Erst im Sommer ging das Bild von zwei
berittenen Cops um die Welt, die einen Schwarzen in Texas wegen Verdachts auf
Hausfriedensbruch festgenommen hatten und an einem Strick abführten. Die
Empörung darüber war für einen Moment groß. Anfang der Sechzigerjahre, in denen
Whiteheads neuer Roman spielt, war staatliche Willkür und Misshandlung gegenüber
Schwarzen jedoch noch ziemlich alltäglich und weit verbreitet. Elwood Curtis,
die Hauptfigur des Romans, ist ein hochbegabter Junge, der nur eine einzige
Schallplatte besitzt. Er hört sie sich immer wieder an, und die Kratzer, die
sich mit der Zeit ins Vinyl eintragen, erscheinen ihm bald wie das „Knacken der
Wahrheit“ zu den Worten von Martin Luther King „At Zion Hill“. Auch als Elwood
dann nicht wie geplant auf dem College, sondern unverschuldet in einer
Besserungsanstalt landet, ist sein Glaube an „den Pfad der Rechtschaffenheit“
ungebrochen. Doch im „Nickel“ gelten eigene Gesetze, vor allem für die
schwarzen Jungs, und Elwood erhält eine unerbittliche Lektion: „Du sollst nicht
lieben, denn man wird dich im Stich lassen; du sollst nicht vertrauen, denn man
wird dich verraten; du sollst nicht aufbegehren, denn man wird dich Mores
lehren“.
Colson Whitehead, 1969 in
New York geboren, studierte an der Harvard University und arbeitete für die New
York Times, Harper's und Granta. Whitehead erhielt den Whiting Writers Award (2000)
und den Young Lion’s Fiction Award (2002) und war Stipendiat der MacArthur
„Genius“ Fellowship. Für seinen Roman Underground
Railroad wurde er mit dem National Book Award 2016 und dem Pulitzer-Preis
2017 ausgezeichnet. Der Autor lebt in Brooklyn.
Die Nickel Boys von Colson Whitehead ist bei Hanser erschienen.
(JK 10/19)
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