Literaturhaus
Dienstag, 03.03.2020 20.00 Uhr
Schwanenwik 38, Hamburg
Eintritt: 8 /12 Euro
Viel Sonne, große Untergänge und der King of Fulalu:
Matthias Politycki stellt seinen Roman Das kann uns keiner nehmen vor, der
bei Hoffmann und Campe erschienen ist. Thomas Andre moderiert.
Zwei ältere, weiße Männer, beide etwas verschrobene
Sonderlinge, wenn nicht schon ganz aus der Zeit gefallen, so doch jeder auf
seine Weise gefangen im privaten Blues von in die Jahre gekommenen, durchaus
tragischen Lebensgeschichten. Das sind die auf den ersten Blick nicht sehr
attraktiven Helden. Doch gerade in diesem Understatement steckt der Zündfunke
für eine große Komödie. Matthias Politycki erzählt sie in seinem neuen Roman Das kann uns keiner nehmen in einem
mitreißenden Sound und schlägt mit seinen Helden dabei immer neue Kapriolen.
Fast beiläufig rockt dieser Roman aber auch ein zentrales,
gesellschaftspolitisches Thema unserer Zeit.
Als Hans sich nach einem langen Aufstieg mit anderen
Touristen endlich allein mit seinem Führer auf dem Weg in den Kibo-Krater des
Kilimandscharo-Massivs im Nordosten von Tansania befindet, hofft er auf eine
einsame Kraternacht. Sie soll ihn nach Jahrzehnten endlich ein für allemal von
einem großes Liebesversagen befreien, das ihm bei einer Afrikareise mit seiner
damaligen Verlobten wiederfahren ist. Doch dann steht der weltoffene und
feinsinnige Hamburger einem „Kerl“ gegenüber, der ihn mit einem kernigen „lecko
mio“ im Krater begrüßt, ihn sogleich „Hornbrillenwürschtl“ und wegen des um
seinen Kopf gewickelten Tuchs „Windelhansi“ nennt. Auch sonst nimmt dieser
Tscharli aus Miesbach in Oberbayern, wie sich schnell herausstellt, kein Blatt
vor den Mund, obwohl oder vielleicht auch, weil er selbst eher eine halbe
Portion ist. Seine Sprache, sein Verhalten, seine Ansichten, so ziemlich alles
an diesem Tscharli ist mindestens ein Affront und strenggenommen viel
schlimmer, wie Hans später einmal feststellt. Will man mit so einem befreundet
sein? Bestimmt nicht. Dennoch werden die gemeinsame Nacht im Krater und ein
rasanter Abstieg zum Ausgangspunkt einer Grand Tour der beiden Helden. Sie ist
gespickt mit absurden Begegnungen und aberwitzigen Abenteuern, für die vor
allem der charismatische Tscharli sorgt. Der allseits bekannte „King of Fulalu“,
„Mister Bombastic“ und „Big Simba“ dreht eine Abschiedsrunde durch sein Afrika
und will es dabei nochmal so richtig krachen lassen, schließlich weiß er nur zu
genau: „Wo’s viel Sonne gibt, gibt’s etwas später große Untergänge“. Über alle
weltanschaulichen Gegensätze, dieses Geflecht aus Meinungen und Verortungen
hinweg, das die Gesellschaften der westlichen Welt derzeit spaltet, entwickelt
sich zwischen Hans und Tscharli eine tiefe Freundschaft. Dass dafür so manches
allzu menschliche Vorurteil auf den Prüfstand muss, versteht sich von selbst,
wird aber immer nebensächlicher. Was den beiden Helden keiner nehmen kann und
sie am Ende zusammenschweißt, ist die Erfahrung einer großen und doch
tragischen Liebe. Für sie finden Hans und Tscharli in ihrer Begegnung zum
ersten Mal die richtigen Worte, und ihr Leben justiert sich in einem größeren
Horizont befreiend neu.
Matthias Politycki schreibt seitdem er 16 ist und
wurde schon mit seinem opulenten Romandebüt als „Formfex im Sprachfels“ (Die
Welt) gefeiert. Sein Werk besteht heute aus über 30 Büchern, darunter mehrere
Romane, Erzähl- und Gedichtbände sowie vielbeachtete Sachbücher und
Reisereportagen. Er gilt als großer Stilist und ist einer der vielseitigsten
Schriftsteller der deutschen Gegenwartsliteratur. Sein Weiberroman, eine
Hommage an die siebziger und achtziger Jahre, ist eines der zentralen Werke der
literarischen Postmoderne; als „einer der schönsten Schelmenromane unserer Zeit“
(Radio Bremen) wurde seine Kreuzfahrtsatire In 180 Tagen um die Welt zum
Bestseller. Sieben Jahre nach seinem als „wahrer Monolith“ (Stern) gerühmten
Roman Samarkand erscheint sein neuer
großer Roman Das kann uns keiner nehmen,
für den er um ein Haar in Afrika gestorben wäre. Gerettet hat ihn die Liebe einer
Frau.
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