Franzobel: Die Eroberung Amerikas (Zsolnay)

Ein Feuerwerk des Einfallsreichtums: Nach dem Bestseller Das Floß der Medusa begibt sich Franzobel in seinem neuen bei Zsolnay erschienenen Roman Die Eroberung Amerikas auf die Spuren eines wilden Eroberers der USA im Jahr 1538.

Fernand Desoto hatte Pizarro nach Peru begleitet, dem Inkakönig Schach und Spanisch beigebracht, dessen Schwester geschwängert und mit dem Sklavenhandel ein Vermögen gemacht. Er war bereits berühmt, als er 1538 eine große Expedition nach Florida startete, die eine einzige Spur der Verwüstung durch den Süden Amerikas zog. Knapp 500 Jahre später klagt ein New Yorker Anwalt im Namen aller indigenen Stämme auf Rückgabe der gesamten USA an die Ureinwohner.

Franzobels Roman ist ein Gleichnis auf die von Gier und Egoismus gesteuerte Gesellschaft, die von eitlen und unfähigen Führern in den Untergang gelenkt wird. Er verwischt in seinem Roman bewusst die Grenzen von Fakten und Fiktion, von Historie und Gegenwart. Brutal und blutrünstig sind Desotos Eroberungszüge. Von Dorf zu Dorf plündern, vergewaltigen, brandschatzen und morden Desotos Männer. Über vier Jahre lang hinterlassen sie Schutt und Asche im Südosten Nordamerikas, von Florida bis zum Mississippi, bis ihre Reise mit Fieber, aber ohne Pulver, Blei und Proviant am Mississippi zu Ende geht. Franzobel benutzt einen bemerkenswerten und intelligenten Humor und Ironie, um diese verstörende Barbarei für die Leser*innen erträglich zu halten. Die Handlung ist ungemein temporeich und dicht. Jeder Absatz birgt ein kleines, oftmals nicht unbedeutendes Detail. Jede Geschichte findet irgendwo einen Ankerpunkt in den Geschichten der anderen und damit schafft er wunderbar ausgestaltete Figuren. Steffen Herrmann von der Frankfurter Rundschau kann sich Franzobels Roman mit all seinen Cliffhangern, rasanten Schnitten, Gags und skurrilen Figuren sogar als Netflix-Serie vorstellen.

Franzobel, dessen eigentlicher Name Franz Stefan Giebel ist, geboren 1967 in Vöcklabruck, erhielt u. a. den Ingeborg-Bachmann-Preis (1995), den Arthur-Schnitzler-Preis (2002) und den Nicolas-Born-Preis (2017). Mit seinem Roman Das Floß der Medusa stand er auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis und wurde mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet.

Die Eroberung Amerikas von Franzobel ist bei Zsolnay erschienen.
(JK 04/21)

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