Alonso Cueto: Das Flüstern der Walfrau (Berlin Verlag)

Das scharfsinnige Porträt zweier Frauen, die durch Freundschaft und Hass miteinander verbunden sind, ist der jüngste Roman Das Flüstern der Walfrau des peruanischen Autors Alonso Cueto, der damit seinen Ruf als einer der wichtigsten lateinamerikanischen Autoren der Gegenwart bestätigt. Was verbindet nach vielen Jahren noch zwei Frauen, die in der Schulzeit miteinander befreundet waren - wenn auch nur heimlich, da die eine der beiden so dick war, dass die andere sich nicht mit ihr auf offener Straße zeigen wollte? Wie gehen sie mit den Verletzungen und Schuldgefühlen um, die sich in all den Jahren angestaut haben? Als Verónica nach fünfundzwanzig Jahren ihrer alten Klassenkameradin Rebeca zufällig wieder begegnet, ist ihr erster Impuls zu fliehen. Doch scheint es in Lima keinen Ort mehr zu geben, an dem Rebeca nicht auftaucht, und auch Verónicas Gedanken kreisen obsessiv um die Freundin. Ein Tanz zwischen Anziehung und Abstoßung beginnt, in dessen Verlauf Rebeca zeitweise die bedrohlichen Züge einer kalten Psychopathin annimmt. Doch auch das zutiefst einsame, gedemütigte Mädchen scheint in ihr auf. Alonso Cueto erzählt in diesem spannenden, psychologisch fein gezeichneten Roman von den Nöten einer Frau, die zeitlebens als Außenseiterin stigmatisiert wurde, und stellt ihr die Gewissensbisse einer anderen entgegen, die nicht den Mut hatte, sich zu ihr zu bekennen. In knappen, prägnanten Sätzen und meisterhaften Dialogen zeichnet er das eindrückliche Porträt einer Gesellschaft, die sich dem Körperkult und der Konformität verschrieben hat.

Alonso Cueto wurde 1954 in Lima, Peru, geboren. 1983 debütierte er mit dem Erzählband La batalla del pasado, den die Kritik als eines der bedeutendsten Bücher der modernen peruanischen Literatur feierte. Seitdem wurde er mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Premio Wiracocha (1985), dem Anna-Seghers-Preis (2000) und einem Stipendium der Guggenheim Foundation (2002). Für seinen Roman Die blaue Stunde erhielt er 2005 den renommierten spanischen Premio Herralde. Alonso Cueto zählt zu den wichtigsten Autoren der Gegenwartsliteratur Lateinamerikas.

Das Flüstern der Walfrau von Alonso Cueto ist im Berlin Verlag erschienen.

(JK 28/06/08)

Steven Carroll: Die Kunst des Lokomotivführens (Heyne)

Im Heyne Verlag ist der Roman Die Kunst des Lokomotivführens von Steven Caroll erschienen, ein sprachgewaltiger, dicht erzählter Familien- und Gesellschaftsroman. In einer schicksalhaften Sommernacht feiern der Lokomotivführer Vic und seine Familie gemeinsam mit Freunden und Nachbarn die Verlobung einer jungen Frau, während in einem schwarzen Wagen ihr ehemaliger Geliebter vorfährt, um Lebewohl zu sagen. Zur gleichen Zeit überfährt eine Diesellok mehrere Haltesignale. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. „Das ist ein ganz leises, schönes Buch. Es läuft alles auf einen Moment zu, wo die Träume und die Liebe enden“, meinte Elke Heidenreich begeistert in ihrer Fernsehsendung „Lesen!“

Steven Carroll wurde 1949 in Melbourne geboren. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Englischlehrer, später als Musiker. Heute lebt er als Theaterkritiker und freier Schriftsteller in Brunswick/Victoria.

Die Kunst des Lokomotivführens von Steven Carroll ist im Heyne Verlag erschienen.

(JK 28/06/08)

Roslund & Hellström: Todesfalle (S. Fischer)

Von dem Autoren Duo Roslund und Hellström ist bei Fischer der Krimi Todesfalle erschienen. John Meyer Frey ist Orchestermusiker und spielt auf der Fähre Helsinki--Stockholm. Eines Abends schlägt er einen betrunkenen Finnen zusammen, der eine Frau belästigt hat. Eigentlich nichts Ungewöhnliches auf diesen Fähren, doch als Kommissar Ewert Grens die Verletzungen des Mannes sieht, ermittelt er wie in einem Mordfall. John wird verhaftet, seine wahre Identität kommt ans Tageslicht: Er hat lange im Todestrakt in einem Gefängnis in Ohio gesessen. Er soll ein Mädchen vergewaltigt und getötet haben. John hat die Tat immer bestritten. Mit Hilfe zweier Mittelsmänner gelang dem Verurteilten seinerzeit die Flucht. Jahrelang lebte John unerkannt in Schweden, bis Ewert Grens ein unheilvolles Szenario in Gang setzt...

Börge Hellström, geboren 1957, ein ehemaliger Strafgefangener, ist freier Autor und Berater in mehreren schwedischen Fernsehsendungen zum Thema Drogenabhängige und Jugendliche im Strafvollzug. Anders Roslund, geboren 1961, ist ein anerkannter Fernsehjournalist und preisgekrönter Dokumentarfilmer. Er leitet die Culture News auf Kanal 1 des schwedischen Fernsehens.

Todesfalle von Anders Roslund & Börge Hellström ist bei Fischer erschienen.

(JK 28/06/08)

Jeff Talarigo: Der Ginsengjäger (Luchterhand)

Mit seinem neuen Buch Der Ginsengjäger, das im Luchterhand Verlag erschienen ist, ist dem amerikanischen Autor Jeff Talarigo ein poetischer, ergreifender und erhellender Roman gelungen. An der Grenze zwischen China und Nordkorea lebt einer der letzten Ginsengjäger, der die Kunst, diese seltene und wertvolle Wurzel aufzuspüren, von seinem Vater gelernt hat, wie dieser wiederum von dem seinen. Der schon ältere Mann führt ein bescheidenes Leben, nur einmal im Monat verlässt er seine Hütte im Wald, um in der nächstgelegenen Stadt einzukaufen und das dortige Bordell zu besuchen. Als er sich in eine junge Prostituierte verliebt, die aus Nordkorea hierher geflohen ist, bekommt seine fest gefügte kleine Welt Risse, und er muss schwerwiegende Entscheidungen treffen… Der Ginsengjäger ist eine bewegende Geschichte über Menschen, die an der Grenze leben – an der Grenze zum Nichts und an der Grenze zum Glück.

Jeff Talarigo wurde in Pennsylvania geboren und arbeitete nach seinem Literaturstudium als Journalist. Anfang der 90er lebte er ein halbes Jahr in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Gazastreifen; seine Kurzgeschichten über diese Erfahrung sind in verschiedenen literarischen Magazinen veröffentlicht. 1993 zog er nach Japan. Für seinen ersten Roman Die Perlentaucherin erhielt er den Richard and Hinda Rosenthal Award, der von der American Academy of Arts and Letters verliehen wird. Während der Arbeit an seinem zweiten Roman Der Ginsengjäger lebte er auf der chinesischen Seite der Grenze zwischen Nordkorea und China und interviewte dort Ginsengjäger und nordkoreanische Flüchtlinge. Zurzeit ist er Stipendiat des New York Public Library’s Cullman Centre for Scholars and Writers.

Der Ginsengjäger von Jeff Talarigo ist bei Luchterhand erschienen.

(JK 28/06/08)

Alejandra Rojas: Dantes Geige (DVA)

„Wenn es die Verführung durch wertvolle Gegenstände, süße Fantasien und schöne Frauen nicht gäbe...“ Genau darum geht es in dem Roman Dantes Geige der chilenischen Autorin Alejandra Rojas, der bei DVA erschienen ist. Ein Raub weckt das kleine chilenische Dorf Tejas Rojas aus seinem Jahrhundertschlaf: Die berühmte „Conde Fosca“, das einzige bedeutsame Stück der Museumssammlung, ver-schwindet über Nacht aus ihrer Vitrine. Obwohl die Diebe bei ihrem Raub nicht sehr geschickt vorgegangen sind, bleibt der eigens angereiste Detektiv Emilio Rastelli mit seinen Nachforschungen erfolglos. Emilio Rastelli steht vor einem Rätsel. Bald jedoch dämmert ihm, dass mehrere Bewohner des Dorfes besessen sind von der Geige - unter ihnen der greise Antiquitätenhändler Muencke sowie seine unerlaubt attraktive Pflegerin Mireyita und nicht zuletzt der kauzige Apotheker Amador Román, der Rastelli ein von ihm verfasstes Romanmanuskript zu beurteilen bittet: In diesem erhebt der geniale Erbauer der Geige, Antonio Stradivarius, aus dem Purgatorium seine Stimme und erzählt, wie das Instrument über zwei Jahrhunderte hinweg das Schicksal vieler Menschen bestimmte, zahllose Intrigen verursachte und Leidenschaften entfesselte. Für Rastelli, gebannt von der Lektüre, sind Romangeschehen und Wirklichkeit bald kaum noch zu unterscheiden. Er wird in eine Geschichte verstrickt, in der sich Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen scheinen.

Alejandra Rojas, 1958 in Chile geboren, studierte Medizin an der Universidad de Chile und arbeitete viele Jahre in einer psychiatrischen Klinik. Sie ist die Autorin von insgesamt vier Romanen und einer illustrierten Biographie über Salvador Allende. Dantes Geige ist ihr erstes Buch, das auf Deutsch erscheint.

Dantes Geige von Alejandra Rojas ist bei DVA erschienen.

(JK 21/06/08)

Robert Haasnoot: Der Erinnerer (Berlin Verlag)

Menschlicher Erinnerung ist nicht zu trauen. Noch weniger dem Erzähler dieses ungewöhnlichen Romans. Hinter der Maske eines Chronisten verstrickt uns Robert Haasnoot in seinem Roman Der Erinnerer, der im Berlin Verlag erschienen ist, in die Abgründe einer faszinierend eigentümlichen Dorfgemeinschaft. Zeewijk um 1900: Ungewöhnlich aggressive Raben haben sich im Kirchturm niedergelassen. Eine Kaninchenseuche ist ausgebrochen, und der Traum von einem heiligen Ort in den Dünen macht die Runde unter den strenggläubigen Dorfbewohnern des Küstendorfs. Auch der als nervenkrank geltende Fremde, Wijnand Marseu, der in einer weißen Villa hoch über dem Meer wohnt, soll diesen Traum gehabt haben, kurz bevor er tot aufgefunden wird. Nicht zuletzt aus beruflichem Ehrgeiz legt es der Erzähler darauf an, die Ereignisse in einen höheren Zusammenhang zu bringen. Er ist der letzte Spross einer Stadtschreiberfamilie, ein Erinnerer, selbst tief verwurzelt in der Dorfgemeinschaft und ihren von Glauben und Aberglauben geprägten Legenden. Merkwürdig somnambul zieht er von einem Dorfbewohner zum anderen, von einer unheimlichen Anekdote zur nächsten und offenbart dabei kaum wahrnehmbar sein eigenes Geheimnis. In der Überblendung von Vergangenheit und Gegenwart entsteht ein faszinierendes und abgründiges Panorama des Mikrokosmos Zeewijk, einer in Tradition und Aberglauben verstrickten Gemeinschaft.

Robert Haasnoot wurde 1961 geboren, aufgewachsen ist er im niederländischen Fischerdörfchen Katwijk. Für seinen Roman Wahnsee wurde Haasnoot mit dem Prix des Ambassadeurs ausgezeichnet.

Der Erinnerer von Robert Haasnoot ist im Berlin Verlag erschienen.

(JK 21/06/08)

Martín Solares: Die schwarzen Minuten (BLT)

Martín Solares entführt mit seinem Roman Die schwarzen Minuten, der bei BLT erschienen ist, nach Mexiko. In Paracuán, einem heruntergekommenen Ölhafen am Golf von Mexiko, wird ein Journalist tot aufgefunden. Was hatte der Mann überhaupt in dieser gottverlassenen Stadt zu suchen? Polizist Ramón Cabrera entdeckt, dass der Tote an einer Story dran war, die jahrzehntelang unter einem dichten Geflecht aus Bestechung und Korruption verborgen war: Eine der grausamsten Mordserien Lateinamerikas.

Martín Solares' Short Storys und Essays wurden in vielen mexikanischen Zeitschriften und Magazinen sowie in internationalen Anthologien in Frankreich, Großbritannien und Spanien veröffentlicht. Solares ist stellvertretender Direktor des Instituto de México in Paris und promoviert an der Sorbonne. Die schwarzen Minuten ist sein erster Roman.

Die scharzen Minuten von Martín Solares ist bei BLT erschienen.

(JK 21/06/08)

György Dragomán: Der weiße König (Suhrkamp)

Rumänien im Jahr von Tschernobyl, 1986. Ein Elfjähriger wird Zeuge, wie Beamte des Geheimdiensts seinen Vater abholen. Von Monat zu Monat schwindet die Hoffnung, ihn wieder zu sehen. Mit rührender Aufmerksamkeit versucht der Junge, der tapferen, als Jüdin und „Dissidentin“ geächteten Mutter den Vater zu ersetzen, während er ihr die Schikanen in der Schule verschweigt. Er begleitet sie zum „Genossen Botschafter“, von dem sie sich Hilfe erhofft, sinnt auf eigene Wege, um den Vater aus dem Arbeitslager am „Donaukanal“ freizubekommen. Im Turnlehrer, der die Kinder bei Radioaktivitätsalarm zum Fußballspiel zwingt, in den verrohten Jugendlichen, die vor keiner Gewalttat zurückschrecken, in den Bauarbeitern, die behaupten, seinen Vater gesehen zu haben - überall begegnet ihm das zynische Spiel mit Angst und Hoffnung, Erpressung und Verrat. Doch er führt seinen Krieg, wehrt sich gegen die Unmenschlichkeit, und in einem grandiosen Finale kämpft er um seinen Vater - gegen die ganze Welt. Konsequent aus der Sicht eines Kindes schildert György Dragomán die Amoralität einer politisch terrorisierten Gesellschaft. Sein suggestiver Stil nimmt vom ersten Satz an gefangen. Die traumwandlerische Leichtigkeit und Schönheit der Sprache, in der souverän von menschlicher Größe und Niedertracht erzählt wird, machen die Lektüre unvergesslich.

György Dragomán, 1973 in Marosvásárhely (Târgu-Mures) / Siebenbürgen geboren, lebt seit 1988 in Budapest. 2002 erschien sein preisgekrönter erster Roman Das Buch der Zerstörung. Er hat über Beckett promoviert, übersetzt aus dem Englischen und arbeitet als Webdesigner. Der weiße König wird zur Zeit in fünfzehn Sprachen übersetzt.

Der weiße König von György Dragomán ist bei Suhrkamp erschienen.

(JK 21/06/08)

Helene Uri: Nur die Stärksten überleben (Piper)

In der Reihe Nordiska des Piper Verlags ist ein scharfsinniger und treffender Roman aus dem Unimilieu erschienen. Die glänzende Erzählerin Helene Uri schreibt in ihrem Roman Nur die Stärksten überleben über die großen Ideale der Wissenschaft, über Lügen und Intrigen, über Sex, Eifersucht und grenzenlosen Ehrgeiz. Pål Bentzen ist ein glücklicher Mann: Er hat sich eine Forschungsstelle am renommierten Institut für Sprachwissenschaft erkämpft und mit seiner ehrgeizigen Kollegin Nanna eine verheißungsvolle Affäre begonnen. Nanna arbeitet an einem viel versprechenden Projekt, und Pål unterstützt sie nach Kräften. Dass sie in der Öffentlichkeit über ihre Beziehung Stillschweigen bewahrt, stört ihn kaum. Eines Tages stößt Pål im Kopierraum auf einen Text der angesehenen Professorin Edith Rinkel. Vieles darin kommt ihm irgendwie bekannt vor. Hat die Professorin ihre Thesen womöglich aus Nannas Arbeit gestohlen? Helene Uris Campus-Roman entlarvt die dunklen Seiten der nicht immer ganz so hehren Welt der Wissenschaft und erzählt dabei vom Kampf zweier ungewöhnlichen Rivalinnen.

Helene Uri, geboren 1964 in Stockholm, aufgewachsen in Oslo, promovierte in Sprachwissenschaft und arbeitete zwölf Jahre lang an der Universität Oslo, ehe sie sich ganz aufs Schreiben verlegte. Sie hat bislang vier Romane für Erwachsene und mehrere Kinderbücher veröffentlicht sowie Kolumnen für verschiedene Zeitungen geschrieben. Außerdem unterrichtet sie Kreatives Schreiben. Nur die Stärksten überleben stand monatelang auf der norwegischen Bestsellerliste und wurde in allen großen Zeitungen hymnisch besprochen.

Nur die Stärksten überleben von Helene Uri ist bei Piper erschienen.

(JK 14/06/08)

Robert Littell: Die Söhne Abrahams (Scherz)

Wie Feinde sich unfreiwillig näher kommen und etwas Unmögliches plötzlich möglich erschient, davon handelt der neue Roman Die Söhne Abrahams von Robert Littell, der bei Scherz erschienen ist. Der bekannte ultraorthodoxe Rabbi Isaac Apfulbaum wird entführt. Der Täter: Dr. al-Shaath, ein berüchtigter Islamführer. Er verlangt von Israel die Freilassung aller politischen Gefangenen und will so eine Friedenslösung zwischen Israel und Palästina verhindern. Der Mossad holt seinen Agenten Elihu aus dem Ruhestand mit dem Auftrag, den Rabbi zu befreien. Doch unterdessen entdecken Geisel und Geiselnehmer immer mehr Gemeinsamkeiten. Die seltsame Beziehung zwischen diesen beiden kompromisslosen Verfechtern ihres Glaubens lässt plötzlich auf eine Versöhnung hoffen. Doch Elihu plant schon einen Befreiungsschlag...

Robert Littell gilt als Meister des amerikanischen Spionageromans. Sein Buch Die kalte Legende wurde von der Presse als „einer der besten Agententhriller, die je geschrieben wurden“ bezeichnet, und steht ganz in der Tradition von John le Carré. Er erhielt dafür den Deutschen Krimipreis 2007 in der Kategorie „Internationale Krimis“. Bevor er sich dem Schreiben zuwandte, arbeitete der Autor als Newsweek-Korrespondent im Nahen Osten. Der Autor lebt heute in Frankreich.

Die Söhne Abrahams von Robert Littell ist bei Scherz erschienen.

(JK 14/06/08)

Yasmina Khadra: Die Sirenen von Bagdad (Nagel & Kimche)

Erneut legt Yasmina Khadra mit seinem Buch Die Sirenen von Bagdad, der bei Nagel & Kimche erschienen ist. einen packenden Polit-Thriller über die Logik des Terrorismus vor. In der Folge einer mitleidlosen Razzia des US-Militärs wird ein junger unbeteiligter Mann aus dem Irak tief gedemütigt und muss seine Familie und sein Heimatdorf verlassen. Er beschließt, sein Leben der Aufgabe zu widmen, den Westen tödlich zu treffen. Plastisch und einfühlsam erzählt Yasmina Khadra vom Leben der Menschen in einer ausweglosen Spirale aus zerstörter Ehre und Hass in einem Land, das vom Krieg gezeichnet ist.

Yasmina Khadra ist das Pseudonym des 1956 geborenen algerischen Autors Mohammed Moulessehoul. Als hoher Offizier der algerischen Armee konnte er sein Pseudonym erst lüften, als er im Dezember 2000 mit seiner Familie ins Exil nach Frankreich ging. Er erfand die Figur des Commissaire Llob, den Helden von fünf Kriminalromanen, deren letzte drei in Frankreich herauskamen und eine Einheit bilden, eine Trilogie zum Thema Bürgerkrieg und seiner Hintergründe. Vorher und nachher veröffentlichte er weitere Romane.

Die Sirenen von Bagdad von Yasmina Khadra ist bei Nagel & Kimche erschienen.

(JK 14/06/08)

Hugo Claus: Der Kummer von Belgien (Klett-Cotta)

In seinem Roman Der Kummer von Belgien, der bei Klett-Cotta erschienen ist, entführt der belgische Autor Hugos Claus in das Flandern zur Zeit der deutschen Besatzung. Erzählt wird die Geschichte des kleinen, rotzfrechen Louis Seynaves aus dem flämischen Walle, der zu Beginn am Straßenrand hingerissen den Einmarsch deutscher SS-Verbände in sein Heimatstädtchen verfolgt. Und schnell ist der Leser vertraut mit diesem Kleinstadt-Kosmos und mit dem Internats-Geheimbund „Die vier Apostel“, dem Louis angehört, bis er nach Hause entlassen wird. Zuhause: das sind die Gassen um den Grote Markt, die schummrigen Winkel in der Druckerei des Vaters, und das ist vor allem der Familientratsch am Küchentisch. Jede kleine Denunziation, jede opportunistische Versuchung, sich mit den „Germanen“ gegen die Wallonen zu verbünden, jede Episode dieser spannenden Jahre erlebt Louis mit - wie einen Weltalltag. Hugo Claus fügt seine Hunderte von Episoden zu einem epochalen Roman zusammen, spielerisch, humorvoll, mitreißend. Mitzulesen in neuer, meisterhafter Übertragung von Waltraut Hüsmert.

Hugo Claus, 1929 in Brügge geboren, ist als Prosaschriftsteller und Lyriker, als Dramatiker, Film- und Theaterregisseur und Mitglied der Malergruppe „Cobra“ bekannt geworden. Nach langen Aufenthalten in Frankreich, Italien und den USA lebte er zuletzt in Gent. Am 19. März wählte Hugo Claus 78-jährig den Freitod, nachdem bei ihm die Alzheimer Krankheit begann fortzuschreiten. Sein Tod löste eine große Kontroverse in Belgien aus.

Der Kummer von Belgien von Hugo Claus ist bei Klett-Cotta erschienen.

(JK 14/06/08)

Thierry Jonquet: Die Haut, in der ich wohne (Hoffmann & Campe)

Ein junger Mann, der vor Jahren spurlos verschwand, ein mysteriöses Paar und ein flüchtiger Bankräuber auf der Suche nach einer neuen Identität: Sie alle verbindet eine dunkle Schuld. Rachsucht, Ausschweifung und bedingungslose Liebe verschmelzen in dem Thriller Die Haut, in der ich wohne von Thierry Jonquet, der bei Hoffmann & Campe erschienen ist, zu einer zerstörerischen Kraft, die schließlich das Leben eines Menschen fordert. Der berühmte plastische Chirurg Richard Lafargue hält seine Partnerin Ève in einem Appartement im ersten Stock seiner Villa gefangen. Sie darf es nur einmal im Monat verlassen, wenn das Paar eine junge Frau in der Nervenheilanstalt besucht. Nach diesen Ausflügen zwingt Richard seine Partnerin dazu, Sex mit Fremden zu haben, während er sie durch einen Einwegspiegel beobachtet... In einem Verlies leidet der Abiturient Vincent qualvoll Hunger und Durst, nachdem er bei einer Hetzjagd im Wald von einem Unbekannten entführt worden ist. Anfangs glaubt er noch an eine Verwechslung, doch dann wird ihm bewusst, was ihn mit seinem „Herrn“ verbindet. Der lockert allmählich die Fesseln, gibt dem Jungen zu essen, macht ihm sogar Geschenke. Aber dies ist nicht das Ende der Folter - es ist der Eintritt in die subtil arrangierte Hölle, in die sich Vincents Leben verwandeln soll. Was die Figuren dieses außergewöhnlichen roman noir miteinander zu tun haben, enthüllt die brillant komponierte Handlung erst nach und nach. Thierry Jonquet webt ein bedrohliches Netz, in dem sich die Personen schicksalhaft verfangen. Oscar-Preisträger Pedro Almodóvar verfilmt den faszinierenden Roman mit Penelope Cruz und Antonio Banderas in den Hauptrollen.

Thierry Jonquet wurde 1954 in Paris geboren und studierte Philosophie und Ergotherapie. Seit seinem literarischen Debüt 1982 veröffentlichte er neben Jugendbüchern fünfzehn Romane, von denen mehrere ausgezeichnet wurden. Jonquet gilt als einer der erfolgreichsten Krimiautoren Frankreichs.

Die Haut, in der ich wohne von Thierry Jonquet ist bei Hoffmann & Campe erschienen.

(JK 14/06/08)

Stieg Larsson: Vergebung (Heyne)

Nach Verblendung und Verdammnis ist der Krimi Verblendung von Stieg Larsson, der bei Heyne erschienen ist, der grandiose Höhepunkt der Trilogie um das Ermittlerduo Blomkvist und Salander. Die Ermittlerin Lisbeth Salander steht unter Mordverdacht. Ihr Partner Mikael Blomkvist schwört, ihre Unschuld zu beweisen. Er weiß, dass es um Salanders Leben geht. Als seine Ermittlungen die schwedische Regierung in ihren Grundfesten zu erschüttern drohen, setzt er alles auf eine Karte. Mit einer Kugel im Kopf wird Lisbeth Salander in die Notaufnahme eingeliefert. Sie hat den Kampf gegen Alexander Zalatschenko, berüchtigter Drahtzieher mafiöser Machenschaften, ein weiteres Mal knapp überlebt. Aber wird sie gegen den schwedischen Geheimdienst bestehen können, der alle Kräfte mobilisiert, um sie ein für alle Mal mundtot zu machen? Zu groß ist die Gefahr, dass sie die Verbindung zwischen Zalatschenko und der schwedischen Regierung aufdeckt. Unterdessen arbeitet Mikael Blomkvist unter Hochdruck daran, Salanders Unschuld zu beweisen. Es fehlen nur noch wenige Details, und er wird das Komplott gegen Salander aufdecken. Auch als seine Ermittlungen von höchster Stelle massiv behindert werden, führt Blomkvist seine Arbeit unbeirrt fort. Er weiß genau, dass er nur noch diese eine Chance hat, um Lisbeth Salander zu retten. Die schwedische Tageszeitung Aftonbladet „kann nicht anders, als in den Chor der Lobpreisungen auf Stieg Larsson einzustimmen. Die Erwartungen an den dritten Band waren sehr hoch - und sie wurden mehr als übertroffen.“

Stieg Larsson, 1954 in Umeå, Schweden, geboren, war Journalist und Herausgeber des Magazins EXPO. 2004 starb er an den Folgen eines Herzinfarkts. Er galt als einer der weltweit führenden Experten für Rechtsextremismus und Neonazismus. 2006 wurde er postum mit dem Skandinavischen Krimipreis als bester Krimiautor Skandinaviens geehrt. Die Bücher aus seinem Nachlass erscheinen bei Heyne.

Vergebung von Stieg Larsson ist im Heyne Verlag erschienen.

(JK 14/06/08)

Carla Guelfenbein: Die Frau unseres Lebens (Insel)

Ein überraschender Anruf, eine Einladung in ein Haus am See in Chile – das Land, das der rastlose Kriegsreporter Theo bisher zu meiden gewusst hat. Zu viele mühsam verdrängte Erinnerungen, an eine Freundschaft, an eine Frau. Warum will Antonio, der Gefährte aus Studententagen, ihn gerade jetzt sehen, nach all den Jahren des Schweigens? Carla Guelfenbeins zweiter Roman Die Frau unseres Lebens ist im Insel Verlag jetzt auf Deutsch erschienen. Kurz entschlossen tritt Theo die Reise an, ohne damit zu rechnen, dass er an Antonios Seite die Frau finden wird, die er nie hat vergessen können: Clara. Nur vorsichtig tasten sich die drei an ihre gemeinsame Vergangenheit heran und an den Sommer 1986, als ihre Freundschaft jäh zerbrach. Sie hatten sich an der Universität von Essex kennen gelernt: Theo, aus guter englischer Familie, und der charismatische Exilchilene Antonio. Dessen unangepasster Blick und kämpferische Reden eröffnen Theo eine neue Welt, und zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine intensive Freundschaft, in der kaum Platz für andere Menschen bleibt. Antonio, der vermeintlich Starke, ist besessen von dem Gedanken, in sein Heimatland zurückzukehren und dort wie sein vom Militär getöteter Bruder gegen die Diktatur zu kämpfen. Gerade er aber trägt schwer an der Liebesbeziehung zwischen seiner engsten Freundin, der Tänzerin Clara, und Theo. In einer rauschhaften Nacht begeht Antonio nicht nur Verrat an Theos Freundschaft, er stellt ihn auch vor die schwierigste Entscheidung seines Lebens. In ihrem Roman, der in Chile monatelang die Bestsellerlisten anführte und von den Lesern zum Buch des Jahres gekürt wurde, erzählt Carla Guelfenbein eine vielschichtige und bewegende Dreiecksgeschichte, in der eine Frage immer drängender wird: Wie stark darf man in das Leben eines anderen Menschen eingreifen?

Carla Guelfenbein wurde 1959 in Santiago de Chile geboren. Das Regime Pinochets trieb sie ins Exil nach England, wo sie Biologie und Design studierte. Wieder in Chile, arbeitete als Redakteurin und Drehbuchautorin. Die Frau unseres Lebens ist ihr zweiter Roman; er wird derzeit in 14 Sprachen übersetzt.

Die Frau unseres Lebens von Carla Guelfenbein ist im Insel Verlag erschienen.

(JK 14/06/08)

Boris Saidman: Hemingway und die toten Vögel (Berlin Verlag)

Der Debütroman des israelischen Autors Boris Saidman Hemingway und die toten Vögel, der im Berlin Verlag erschienen, ist ein bewegendes Buch über die Identitätsfindung jüdischer Einwanderer nach Israel. Tal Schani ist als kleiner Junge mit seinen Eltern nach Israel ausgewandert. Jetzt ist er Anfang dreißig, lebt in Tel Aviv und fühlt sich wie ein ganz normaler Israeli. Das ändert sich schlagartig, als er zu einem Festival israelischer Kultur in seine frühere Heimat Ukraine eingeladen wird. Denn auf einmal ist er hin und her gerissen zwischen zwei ihm eigenen und doch so gegensätzlichen Kulturen. Auf dem Flug nach Dniestergrad wird Tal - der früher Tolik Schnajderman hieß - von seiner Vergangenheit eingeholt. Plötzlich ist er wieder Tolik, und für den Israeli beginnt die oft amüsante, aber auch traurige Suche nach seiner Identität. Er sehnt sich zurück nach den Landschaften seiner Kindheit und erinnert sich an die Ängste eines jüdischen Jungen, dessen Vater eines Tages entschied, mit der ganzen Familie nach Israel auszuwandern. In seinen Gedanken geht Tal mit dem kleinen Tolik durch verschneite Birkenwälder. Die Entbehrungen, die seine Familie während des Zweiten Weltkriegs und unter dem Joch des Kommunismus erleiden musste, sitzen ihm wie ein böses Tier im Nacken. Ein Bild von Hemingway hing damals an der Wand, Tolik glaubte, es handle sich um ein Porträt seines verschollenen Onkels. Aber Tal weiß heute, dass dieser im Gulag umgekommen ist. Und das Gelobte Land war nicht mehr als ein Stück Wüste für Tolik. Für Tal bedeutet es nun ganz einfach Heimat. Witzig und furchtlos melancholisch erzählt Boris Saidman die Geschichte Tausende junger Menschen, die während der letzten zwanzig Jahre unverhofft ein fremdes Land ihr Zuhause nennen sollten. Sie erhielten einen neuen Namen, sie mussten eine neue Sprache erlernen und sie wurden für dieses Land zum Militärdienst eingezogen. Doch die Erinnerungen an ihre Herkunft ließen sich nicht verdrängen.

Boris Saidman, geboren 1963 in Kischinjow in der ehemaligen UdSSR (heute Kischinau, Hauptstadt der Republik Moldau), wanderte als Dreizehnjähriger mit seinen Eltern nach Israel aus. Er studierte Visuelle Kommunikation an der Bezalel Academy of Art and Design und arbeitet heute als Art Director. Er lebt in Tel Aviv und in Galiläa.

Hemingway und die toten Vögel von Boris Saidman ist im Berlin Verlag erschienen.

(JK 14/06/08)

Peter Temple: Shooting Star (C. Bertelsmann)

Vom australischen Krimiautor Peter Temple ist im Bertelsmann ein neuer Krimi erschienen. Er trägt den Titel Shooting Star. Ein 15-jähriges Mädchen aus dem Carson-Clan ist entführt worden. Frank Calder, Ex-Polizist und Privatermittler, lässt sich nur widerwillig darauf ein, die Rolle des Vermittlers zu übernehmen. Denn die Entführer wollen kein Geld, sie wollen Rache. Aber wofür? Auf der Suche nach Opfer und Motiven kommt Calder den Familientabus der Carsons lebensgefährlich nahe. Peter Temples Geschichten sind geprägt von Empfindsamkeit und Härte. Knappste Dialoge und schwarzer Humor enthüllen eine Welt hinter der Fassade von Erfolg und Reichtum, in der die Menschen verzweifelt nach Liebe suchen und sich kalt lächelnd zerstören. Die Washington Post stellt Peter Temple in eine Reihe mit Michael Connelly und Martin Cruz Smith.

Peter Temple, geboren 1946 in Südafrika, war Journalist, bevor er anfing Bücher zu schreiben. Er veröffentlichte bislang acht Bücher. Seit 1995 schreibt er Romane, die bislang mit fünf Ned Kelly Awards ausgezeichnet worden sind, dem wichtigsten australischen Krimi-Preis. Er lebt mit seiner Familie in Ballarat.

Shooting Star von Peter Temple ist im Bertelsmann Verlag erschienen.

(JK 14/06/08)

James Cañón: Der Tag, an dem die Männer verschwanden (Ullstein)

Der Tag, an dem die Männer verschwanden des kolumbianischen Autors James Canón, der bei Ullstein erschienen ist, ist der erste Roman eines großen Erzählers und eine fulminante Hommage an die Frauen Man kann einfach nicht in Frieden leben. Als eines schönen Sonntags Guerillakämpfer in Mariquita einfallen und den Frauen ihre Männer stehlen, ist der Jammer groß. Verlassen von Gott und Regierung droht Mariquita im Elend zu versinken. Bis Doña Rosalba viuda de Patiño, die Frau des ehemaligen Dorfpolizisten, genug hat von all dem Chaos um sie herum. Resolut betritt sie das verwaiste Rathaus, lüftet kräftig durch und verteilt die Arbeit. Und siehe da, über die Jahre entsteht ein weibliches Utopia, das, so will es die Ironie, genau der Gesellschaftsordnung entspricht, für die die Guerillas morden und plündern. Wenn nur das Problem mit der Zeugung von Nachkommen nicht wäre, doch auch dafür scheint bald eine Lösung in Sicht - möge Gott dem Priester seine Sünden vergeben. Ein Roman voller Wunder über die Absurdität des Krieges, erzählt in der Tradition der großen südamerikanischen Literatur. Staunend folgt man James Cañón in seine Heimat, an einen Ort, an dem die Zeit einfach stehen bleibt, als die Männer im Krieg endlich zu weinen beginnen.

James Cañón, geboren 1968 in Kolumbien, ging nach Abschluss einer Ausbildung in der Werbebranche nach New York, um Englisch zu lernen. An der Columbia University studierte er Creative Writing. Einige seiner Erzählungen wurden in verschiedenen literarischen Zeitschriften veröffentlicht. 2001 wurde er mit dem Henfield Prize for Excellence in Fiction ausgezeichnet.

Der Tag, an dem die Männer verschwanden von James Cañón ist bei Ullstein erschienen.

(JK 07/06/08)

Assaf Gavron: Ein schönes Attentat (Luchterhand)

Der israelische Autor Assaf Gavon hat mit seinem Roman Ein schönes Attentat, der im Luchterhand Verlag erschienen ist, ein fulminantes Buch über den alltäglichen „Wahnsinn“ im Nahen Osten unserer Tage geschrieben: Politisch inkorrekt, provokant und zugleich voller Komik und Ironie: Eitan Einoch, ein erfolgreicher Yuppie in einer Hightech-Firma in Tel Aviv, entgeht in kurzer Abfolge drei Attentaten und wird zur nationalen Berühmtheit. Er hat überlebt, aber sein Leben ist zerstört: Er wird von den Medien vereinnahmt, verliert Job und Freundin und begibt sich auf die Suche nach den Hintergründen für die Attentate. Dabei kreuzt sein Weg den eines Palästinensers – jenes Mannes, der für die Anschläge verantwortlich ist. Beide erzählen in diesem rasanten, tragikomischen Roman ihre Geschichte. Eitan Einoch ist jung und erfolgreich. Er hat eine feste Freundin, eine eigene Wohnung, einen kreativen Job: In einer Hightech-Firma in Tel Aviv arbeitet er an der Entwicklung von Computerprogrammen, die dabei helfen sollen, weltweit Zeit zu sparen. Als er eines Morgens mit dem Minibus zur Arbeit fährt, steigt ein verdächtig aussehender Mann zu. Aber nein, beruhigt er sich und den Sitznachbarn, man wird ja noch paranoid, wenn man in jedem Dunkelhäutigen einen Selbstmordattentäter vermutet. Trotzdem verspricht er dem Mann neben sich, dessen Freundin zu benachrichtigen, im Falle des Falles. Am Arbeitsplatz erfährt er es dann: Kurz nachdem er ausgestiegen ist, ging die Bombe hoch. Eitan ist verstört, er hat
Schuldgefühle, und als er den Namen seines Sitznachbarn herausbekommt, macht er sich auf den Weg, sein Versprechen einzulösen – und entgeht kurz nacheinander zwei weiteren Attentaten. Rasch wird er zur nationalen Berühmtheit, tritt in Talkshows auf, erlebt aber auch, wie schnell die Liebe der Medien in Hass umschlagen kann, und bald entgleitet ihm das Leben, wie er es kannte, vollkommen…
Fahmi Sabih liegt unterdessen im Krankenhaus und hadert mit seinem Schicksal. Alles hat ihm sein Bruder beigebracht: wie man Bomben baut, welche Ziele man auswählt, auch dass die Rache gegen diejenigen, die einem Land und Lebensmöglichkeit nehmen, gerechtfertigt ist. Und jetzt fragt er sich: Warum überlebt dieser eine Mann all seine Anschläge? Während draußen Demonstranten fordern, den Terroristen nicht zu behandeln, rekapituliert er sein Leben, darunter auch die Begegnung mit Eitan Einoch…

Assaf Gavron wurde 1968 geboren, wuchs in Jerusalem auf und studierte in London und Vancouver. Er hat drei Romane und einen Band mit Erzählungen veröffentlicht und ist in Israel Bestsellerautor. Außerdem hat er u.a. Jonathan Safran Foer und J.D. Salinger ins Hebräische übersetzt, ist Sänger und Songwriter der israelischen Kultband The Mouth and Foot und war im Schreibteam des Computerspiels Peacemaker, das den Nahost-Konflikt simuliert. Einer seiner Romane wird gerade verfilmt. Assaf Gavron lebt inzwischen in Tel Aviv.

Ein schönes Attentat von Assaf Gavron ist bei Luchterhand erschienen.

(JK 07/06/08)

Antonio José Ponte: Der Ruinenwächter von Havanna (Kunstmann)

Havanna ist die Heldin in Antonio José Pontes Roman Der Ruinenwächter von Havanna, der im Antje Kunstmann Verlag erschienen ist. Havanna, Stadt der Liebe und der Musik, Schauplatz einer einst hoffnungsvollen Revolution und ihres unaufhaltsamen Niedergangs. Hier wohnt der Protagonist dieses Buchs, so wie es aussieht der letzte, der auf Kuba eines Tages das Licht ausmacht. In Havanna läuft es nicht gut für ihn: Die Behörden halten ihn für einen Agenten, der Schriftstellerverband hat ihn ausgeschlossen, für die Kollegen im europäischen Exil ist er ein Idiot, weil er von seinen Reisen in den Westen immer wieder heimkehrt in die vertrauten Ruinen. Er aber bleibt - Ruinenwächter und Chronist des äußeren und inneren Zerfalls. Sein roter Faden ist die heimliche Wiederkehr der Fiesta nach Havanna: Die alten Männer aus dem Buena Vista Social Club spielen die Musik dazu, und nachts, wenn der Strom ausfällt, sammeln sich um die leuchtenden Dollarhotels die Habenichtse und bringen den Sex und das Verbotene zurück. Für ein paar Dollar mehr machen sie die Perle der Karibik wieder zu dem, was sie einst berüchtigt werden ließ. Buena Vista Social Club, Sartre, die Beatles, Graham Greene, Europa, Berlin und immer wieder Havanna - wer wissen will, wie das zusammengeht, wie es in Havanna und in den Kubanern aussieht, der sollte dieses Buch lesen. Roman, Tragikomödie, Satire, politisches Brevier? Sicher das Ungewöhnlichste, was die kubanische Literatur in den letzten Jahren hervorgebracht hat.

Antonio José Ponte, geboren 1964, ist Ingenieur, Professor für Literatur, Drehbuchautor, Schriftsteller. 2003 aus dem kubanischen Schriftstellerverband ausgeschlossen, lebt Ponte seit 2006 im Exil in Madrid. Er ist Herausgeber der Exilzeitschrift Encuentro de la cultura habana und veröffentlicht seit 1997 regelmäßig Essays, Gedichte und Erzählungen.

Der Ruinenwächter von Havanna von Antonio José Ponte ist bei Kunstmann erschienen.

(JK 07/06/08)

Helene Tursten: Die Tote im Keller (btb)

Ein totes Mädchen und skrupellose Menschenhändler - Irene Huss ermittelt! Von der schwedischen Autorin Helene Tursten ist mit dem Buch Die Tote im Keller ein neuer Fall für Kriminalinspektorin Irene Huss bei btb erschienen. In einer eisigen Göteborger Winternacht stoßen Polizisten in einem alten Erdkeller auf die Leiche eines Mädchens. Offensichtlich wurde es über längere Zeit gefangen gehalten, missbraucht und brutal ermordet. Wer war die Tote, die niemand zu vermissen scheint? Die Ermittlungen führen Irene Huss ins Göteborger Rotlichtmilieu. Mit Hilfe ihrer Kollegin vom Dezernat für Menschenhandel kommt sie dem Kopf eines internationalen Mädchenhändlerrings auf die Spur, der sich gerade in der Stadt aufhält. Sie folgt der Fährte bis nach Teneriffa. Nach und nach deckt Irene Huss die Hintergründe dieses schmutzigen Geschäfts auf und bringt sich auf der Suche nach den Hintermännern schließlich selbst in höchste Gefahr. Aber wer hat das Mädchen tatsächlich auf dem Gewissen? Schleuser, Zuhälter, Freier? Noch ahnt niemand, dass der Mörder näher ist als gedacht... „Tursten hat sich mit dem vielleicht besten Buch der Serie um Irene Huss zurückgemeldet. Mit Die Tote im Keller ist Tursten eine packende und vor allem glaubwürdige Story gelungen, die einen so schnell nicht mehr loslässt! Kurz gesagt: Mehr kann man von einem richtig guten Krimi nicht erwarten“, schreibt die schwedische Zeitung Borås Tidning.

Helene Tursten wurde 1954 in Göteborg geboren und arbeitete lange Jahre als Zahnärztin, bis eine rheumatische Erkrankung sie dazu zwang, ihren Beruf aufzugeben. Danach widmete sie sich dem Schreiben. Mit ihren Kriminalromanen um Inspektorin Irene Huss begeisterte sie Schwedens Kritiker und Publikum auf Anhieb und schrieb sich auch in Deutschland in die Herzen der Krimileser und -leserinnen. Ihre Serie um die Göteborger Kriminalinspektorin Irene Huss wird derzeit verfilmt. Sie lebt in Sunne/Värmland und ist verheiratet mit einem Ex-Polizisten.

Die Tote im Keller von Helene Tursten ist bei btb erschienen.

(JK 07/06/08)

Diane Wei Liang: Das Jadeauge (List)

Mei ist eine junge, unabhängige Chinesin. Sie leitet ein Detektivbüro, fährt Auto und hat einen gut aussehenden Assistenten. Bei der Suche nach einem antiken Jadesiegel stößt sie auf die dunkle Vergangenheit ihrer eigenen Familie. Chinas wechselvolle Geschichte ist der spannende Hintergrund für diesen ungewöhnlichen Krimi Das Jadeauge von Diane Weil Liang, der im List Verlag erschienen ist und der die heutige Gesellschaft lebendig abbildet. Ein Freund ihrer Mutter bittet Mei, ein Jadesiegel aus der Han- Dynastie aufzuspüren, das während der Kulturrevolution verschwand. Meis Ermittlungen führen sie zurück in die Zeit Maos, zu Arbeitslagern und zu den ungezählten Toten, für die niemand zur Rechenschaft gezogen wurde. Mit diesem Fall verbindet sie ein ganz persönliches Anliegen, denn auch ihre Familie wurde in einem Lager gefangen gehalten. Sie will endlich wissen, warum sie und ihre Mutter frei kamen, während ihr Vater sterben musste. Schließlich deckt Mei einen ungeheuerlichen Verrat auf.

Diane Wei Liang, geboren in Peking, verbrachte ihre Kindheit in einem Arbeitslager. 1989 nahm sie an den Studentenprotesten teil, im selben Jahr verließ sie China. Über die Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens schrieb sie ein sehr persönliches Buch. Heute ist sie Wirtschaftswissenschaftlerin und lebt mit ihrem deutschen Mann und ihren zwei Kindern in London. Das Jadeauge ist ihr erster Kriminalroman.

Das Jadeauge von Diane Wei Liang ist bei List erschienen.

(JK 07/06/08)

Catalin Dorian Florescu: Zaira (Beck)

In seinem neuen, großen Roman Zaira, der im Beck Verlag erschienen ist, erzählt Catalin Dorian Florescu die Geschichte von Zaira und einer Jahrhundertreise von Osteuropa bis nach Amerika. Es ist auch die Geschichte einer unmöglichen Liebe, die die Jahrzehnte überdauert. Zaira wächst auf einem rumänischen Gutshof unter der Obhut ihrer stolzen Großmutter und ihres Cousins Zizi auf. Um sie über ihre Einsamkeit hinwegzutrösten, spielt er für sie Theater, das sie begeistert und das ihr Lebensinhalt wird. Der Krieg, der Faschismus, dann der Kommunismus verändern dramatisch die Lage der Familie. Dank ihrer Begabung wird Zaira zu einer berühmten Marionettenspielerin, doch bleibt sie unstet und rastlos. Ihre große Liebe scheitert. Die Kommunisten bedrohen sie und ihre Familie. Eine gefährliche Flucht über Prag bringt Zaira mit Mann und Tochter nach Amerika. Kämpferisch und zäh, dabei menschlich und liebenswert, gelingt es ihr, in der Fremde eine Existenz aufzubauen, doch glücklich wird sie nicht. Als alte Frau fasst sie den Mut, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Mit großem erzählerischen Atem, farbig und prall und mit einem verblüffenden Schluss entwirft der Roman das Bild einer Epoche voller dramatischer Konflikte. Catalin Dorian Florescu erzählt mit viel Feingefühl für seine Figuren temporeich und leidenschaftlich die Geschichte einer Frau, die in einem Jahrhundert der Kriege und der Gewalt gegen alle Widerstände ihrer inneren Stimme folgt.

Catalin Dorian Florescu wurde am 27. 8. 1967 in Timisoara, Rumänien, geboren. 1976 erste Ausreise nach Italien und Amerika, Rückkehr nach Rumänien acht Monate später. Im Sommer 1982 dann die Flucht mit den Eltern in den Westen, seit August 1982 wohnhaft in Zürich und mittlerweile Schweizer Bürger. An der Universität Zürich studierte Florescu Psychologie und Psychopathologie. Von 1995 bis 2001 war er als Psychotherapeut in einem Rehabilitationszentrum für Drogenabhängige tätig. Seit Dezember 2001 lebt Florescu als freier Schriftsteller in Zürich.

Zaira von Catalin Dorian Florescu ist im Beck Verlag erschienen.

(JK 07/06/08)

Joel Haahtela: Der Schmetterlingssammler (Piper)

Ein Roman so federleicht, so schillernd und geheimnisvoll wie ein Schmetterling: Klug und voller Respekt für seine Figuren erzählt der Finne Joel Haahtela in seinem Roman Der Schmetterlingssammler, der bei Piper erschienen ist, von einer unerklärlichen Erbschaft und einem schmerz vollen Familiengeheimnis. Am frühen Morgen des 3. April, die Straßen waren noch feucht vom Regen, machte er sich auf den Weg zur Rechtsanwaltskanzlei. In der Manteltasche eines Verstorbenen, eines gewissen Henri Ruzicka, hatte man ein Testament gefunden, das ihn zum Alleinerben einsetzte. Den Namen Ruzicka hatte er noch nie gehört. Aber schon kurz darauf fuhr er hinaus aufs Land, um sich das Haus anzuschauen, das ihm der Fremde hinterlassen hatte. Es sah verwunschen aus, der Efeu wuchs bis übers Dach. Durch die offene Verandatür betrat er einen Staub bedeckten Raum voller Bücher und mit einer beeindruckenden Schmetterlingssammlung. Wer war dieser Henri Ruzicka? Und welche Verbindung gab es zwischen ihnen? Die Spurensuche beginnt, und der Erzähler ahnt bald, dass seine vor über dreißig Jahren verschwundene Mutter die Verbindung zu Henri Ruzicka sein muss.

Joel Haahtela, Jahrgang 1972, lebt als Schriftsteller und Psychiater mit seiner Familie in der Nähe von Helsinki und wurde für seine bislang fünf Romane für den Runeberg- und den angesehenen Finlandia-Preis nominiert. Der Schmetterlingssammler ist Joel Haahtelas erstes ins Deutsche übersetzte Buch und weist ihn als zeitlosen, souveränen Erzähler aus.

Der Schmetterlingssammler von Joel Haahtela ist bei Piper erschienen.

(JK 07/06/08)

José Manuel Prieto: Rex (Suhrkamp)

Hauslehrer in der Luxusvilla einer russischen Familie in Marbella – nach langen Jahren in Russland sieht der junge Kubaner J. seine Chance gekommen, wieder in Richtung Süden zu wandern, auf der Suche nach dem verlorenen Meer. Aber wer sind die Hausherren Wassili und Nelly? Woher kommt ihr phantastisches Vermögen? Wie weit kann er der schönen Nelly trauen? Rex heißt der neue Roman des Exilkubaners José Manuel Prieto, der bei Suhrkamp erschienen ist. Als Nelly ihm zum Lohn für die ersten Wochen einen funkelnden Diamanten in die Hand legt, keimt in J. der Verdacht, der Reichtum des Hauses könne daher rühren, dass Wassili der russischen Mafia angehört. Spricht nicht alles in diesem Haus eine doppelte Sprache? Verlässliche Antwort findet er allein in Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, für ihn „das Buch“ schlechthin (eine Kristallkugel freilich, in der ihm die gesamte Literatur zu Hilfe eilt). J. begibt sich in ein Labyrinth aus Wirklichkeit und Vorstellung: Was wie ein echter Diamant funkelte, erweist sich als geniale Fälschung; die Hausherren, die er für Mafiosi hielt, entpuppen sich als Gejagte. Da hilft J. nur ein Blick in das Orakel seines Buchs und die Flucht nach vorn: Wassili muss als neuer Zar Russlands ausgerufen werden. Rex ist der neue Roman des wohl originärsten jüngeren Schriftstellers aus Lateinamerika. Darin bricht sich die Wirklichkeit in immer neuen Bildern wie in den Facetten eines geschliffenen Diamanten.

José Manuel Prieto, 1962 in Havanna geboren, studierte Ingenieurwissenschaften in Nowosibirsk in der ehemaligen UdSSR, wo er nach dem Diplom weitere 12 Jahre lebte und die verschiedensten Berufe ausübte. Er übersetzte u.a. Werke von Anna Achmatowa, Andrej Platonow, Wladimir Majakowski, Gennadij Ajgi, Marina Zwetajewa, Joseph Brodsky, Alexander Solschenizyn und Vladimir Nabokov ins Spanische. Mit seiner russischen Frau und seiner Tochter lebt er in Mexiko-Stadt, wo er russische Geschichte lehrt.

Rex von José Manuel Prieto ist bei Suhrkamp erschienen.
(JK 07/06/08)

Richard Morgiève: Kleiner Mann von hinten (Claassen)

Ein Sohn erzählt von der Liebe seiner Eltern und hat damit die vielleicht schönste Hommage an die Verrücktheiten der Leidenschaft geschrieben. Wie eine heiterhumorvolle Umarmung der Melancholie liest sich diese Geschichte über einen polnischen Flüchtling und eine junge Französin. Seit Jahrzehnten gehört dieser frühe Roman von Richard Morgiève zu den Lieblingsbüchern der Franzosen. In Deutschland ist er jetzt unter dem Titel Kleiner Mann von hinten bei Claassen erschienen.

Im Februar 1942 begegnen sich in einer südfranzösischen Stadt ein kleiner, nicht besonders ansehnlicher polnischer Mann und eine hübsche junge Französin. Sie verlieben sich heftig ineinander: Andrée, die früh verwitwete Mutter eines vierjährigen Jungen, und Stéphane, der Charmeur, der Draufgänger, der mit allen Wassern gewaschene Gauner. Ganz verrückt sind sie nacheinander, und Andrée liebt ihren Hansdampf, wie er ist: exzessiv, egoistisch und lebenslustig. Sein Geld verdient er auf dem Schwarzmarkt, er kollaboriert mit den deutschen Besatzern. Nach dem Krieg entwickelt er sich zu einem skrupellosen Geschäftsmann, der nach und nach immer reicher wird. Stets in dunkle Geschäfte verwickelt, kann nur seine Liebe zu Andrée und den gemeinsamen Kindern ihn manchmal noch zur Vernunft bringen - bis es zur Katastrophe kommt. Jahrzehnte nach ihrem Tod erzählt der jüngste Sohn von Stéphane und Andrée die Geschichte der amour fou seiner Eltern. Dabei versucht er herauszufinden, welche Leidenschaft und Kraft den lebenshungrigen Schurken antrieb und was seine Mutter seit der ersten Begegnung in ihm gesehen hat - der Blick eines Sohnes in den mal heiteren, mal wolkigen, ewigen Himmel der Liebe.

Richard Morgiève, geboren 1950 in Paris, verlor im Alter von sieben Jahren seine Mutter, sechs Jahre später nahm sich sein Vater das Leben. Mit Kleiner Mann von hinten, 1988 in Frankreich erschienen und seither immer wieder aufgelegt, hat er sich spät seinen Schmerz über den Verlust der Eltern und den unbekannten Vater von der Seele geschrieben.

Kleiner Mann von hinten von Richard Morgiève ist bei Claassen erschienen.
(JK 06/08)

Alessandro Baricco: Diese Geschichte (Hanser)

Diese Geschichte heißt der neue Roman vom italienische Kultautor Alessandro Baricco und er ist im Carl Hanser Verlag erschienen. Als der Bauer Libero Parri 1903 seine Kühe verkauft, um eine Garage im Piemont einzurichten, halten ihn alle für verrückt. Auch dann noch, als sich tatsächlich ein Rennfahrer, Graf D'Ambrosio, in die gottverlassene Gegend verirrt und das Schicksal seinen Lauf nimmt. Liberos schöne Frau findet eine zweite Liebe, und sein Sohn Ultimo zieht in die furchtbare Schlacht von Caporetto. Nach dem Ersten Weltkrieg verschlägt es Ultimo nach Amerika, wo er sich in Elizaveta, eine russische Prinzessin, verliebt. Seine große Leidenschaft bleibt jedoch die Jagd nach der vollkommenen Rennbahn... Abenteuer und Geschwindigkeit, Liebe und Mythos, Träume und Visionen: Baricco verwebt sie zu einer Saga, die fast das ganze kurze 20. Jahrhundert umfasst und sich auf zwei Kontinenten abspielt.

Alessandro Baricco, geboren 1958 in Turin, wird in Italien nach dem Sensationserfolg Seta (dt. Seide) endgültig als Kultautor und Medienphänomen gefeiert. Er veröffentlichte zunächst Musikkritiken in den wichtigsten italienischen Tageszeitungen. Seine Popularität begann mit der literarischen Fernsehsendung „Pickwick“, die er bis 1994 leitete. Dort stellte er mit großem Erfolg ausschließlich seine Lieblingsbücher vor, die vornehmlich aus Klassikern der Weltliteratur bestanden. Ähnlich ambitioniert ist seine Gründung der „Kreativitätsuniversität“ in Turin, die angehenden jungen Autoren eine Fächer übergreifende Ausbildung ermöglicht. Seine verspielt literarischen Romane Castelli di rabbia (dt. Land aus Glas) und Oceane mare waren zunächst noch Geheimtipps, gehören jedoch inzwischen nach Seta zu den auflagenstärksten Dauersellern der italienischen Gegenwartsliteratur.

Diese Geschichte von Alessandro Baricco ist im Carl Hanser Verlag erschienen.

(JK 31/05/08)

Elliot Perlman: Sieben Seiten der Wahrheit (DVA)

„Wenn jemand nach der Lektüre meines Romans sagt, er fühle sich jetzt weniger allein, vielleicht sogar verstanden, dann ist das für mich als Schriftsteller der größte Lohn.“ Das ist das Credo von Elliot Perlman, von dem bei DVA der Roman Sieben Seiten der Wahrheit erschienen ist. Seit zehn Jahren kommt Simon nicht über den Verlust seiner großen Liebe hinweg und begeht eine aberwitzige Tat: Er entführt den kleinen Sohn seiner ehemaligen Freundin. Die Entführung, vielleicht nur ein Akt der Verzweiflung, löst einen Skandal aus und zwingt alle Beteiligten, ihr Leben auf den Prüfstand zu stellen. Ein großer Roman über die Gründe und Abgründe der Liebe; über emotionale, politische und moralische Konflikte, und über die hoffnungslose Suche nach der Wahrheit, die immer mehr als eine Seite hat. Zehn Jahre liegt ihre Trennung zurück, und sie haben sich nie wieder gesehen. Aber Simon, der Intellektuelle, der Getriebene, der Literaturliebhaber, der Romantiker, kann seine große Liebe nicht vergessen. Anna indessen hat längst ihre eigene Familie. Sich in die unerwiderte Liebe hineinsteigernd, schleicht Simon immer öfter um Annas Garten und ihr Haus bis er eines Nachmittags auf die aberwitzige Idee verfällt, ihren kleinen Sohn zu entführen. Ist es die aus Verzweiflung geborene Tat eines Liebeswütigen? Der Wunsch, Aufmerksamkeit zu erregen? Obwohl die Entführung bereits nach wenigen Stunden glimpflich endet, hat sie tief greifende Folgen und zwingt alle Beteiligten zu einer grundlegenden Neubewertung ihres Lebens und ihrer Welt. Sieben Figuren kommen in diesem Roman zu Wort: Simon, sein Psychotherapeut Alex Klima, Anna, ihr Mann Joe, eine Prostituierte namens Angelique, ein Kollege Joes und schließlich die Tochter Alex Klimas. Sieben Blickwinkel, sieben Versionen: sieben Seiten der Wahrheit. Die New York Times war im höchsten Maße begeistert und befand den Roman als „unbedingt lesenswert“.

Elliot Perlman wurde 1964 geboren. Er praktizierte als Anwalt, bis er sich nach dem Erfolg seines ersten Romans Drei Dollar ausschließlich dem Schreiben widmete. Perlmans literarisches Werk erhielt zahlreiche Preise und sein erster Roman wurde verfilmt. Die französische Literaturzeitschrift Lire zeichnete Perlman als einer der zukünftigen Klassiker aus. Elliot Perlman lebt heute in Melbourne.

Sieben Seiten der Wahrheit von Elliot Perlman ist bei DVA erschienen.

(JK 31/05/08)

Jean-Christophe Rufin: 100 Stunden (S. Fischer)

Polen, im Frühling 2005: Juliette, Aktivistin in einer Umweltschutzgruppe, befreit Tiere aus einem Versuchslabor. Doch diese vermeintlich harmlose Aktion führt ins Herz eines Komplotts. Eine fanatische Umweltorganisation verfolgt einen mörderischen Plan. Ex-CIA Agent Paul Matisse heftet sich an ihre Fersen. Bis er erfährt, was sie vorhaben, bleiben nur noch hundert Stunden, um die Welt zu retten. Und Juliette muss sich entscheiden, auf welcher Seite sie steht. Der Goncourt-Preisträger und französische Botschafter im Senegal Jean-Christophe Rufin hat einen mitreißenden Roman geschrieben, dessen packender Sog und literarische Brillanz ganz Frankreich in Erstaunen versetzte. „Bioterrorismus, Fanatismus und Suspense - ein Roman voller Action und Philosophie“, schrieb Le Monde.

Jean-Christophe Rufin, geboren 1952, ist Arzt und Schriftsteller, Mitbegründer und ehemaliger Vizepräsident von „Ärzte ohne Grenzen“, war Staatssekretär im französischen Verteidigungsministerium. Rufin hat Zentralamerika und Ostafrika bereist, bevor er anfing, Romane zu schreiben. Für „Rouge Bresil“ erhielt er 2001 den Prix Goncourt.

100 Stunden von Jean-Christophe Rufin ist bei Fischer erschienen.
(JK 31/05/08)

Khushwant Singh: Der Zug nach Pakistan (Insel)

Das Grauen begann im Jahr 1947: Die Engländer waren gerade abgezogen, Indien und Pakistan wurden geteilt und Menschen ihrer Religionszugehörigkeit entsprechend umgesiedelt - mit verheeren Folgen. Es kam zu einer der größten Vertreibungen der Geschichte, zehn Millionen Menschen waren auf der Flucht. Familien wurden getrennt, Frauen vergewaltigt, Hunderttausende getötet. Von diesem Trauma Indiens erzählt Khushwant Singh in seinem Roman Der Zug nach Pakistan, der im Insel Verlag erschienen ist. Noch ist die Idylle in dem Dorf Mano Majra nahe der Grenze vollkommen. Muslime, Hindus und Sikhs leben hier friedlich miteinander, die Bewohner haben ihren Alltag auf die vorbeifahren Züge abgestimmt. Für Aufregung sorgt nur hin und wieder Jaggat, der Dorfganove. Die Männer haben Respekt vor ihm, schon wegen seiner Statur, über die sie ehrfürchtig sprechen. Jaggat kommt immer wieder ins Gefängnis, sein Vater und sein Großvater wurden als Kriminelle sogar gehängt. Obwohl er selbst der Sikhreligion angehört, hat er eine heimliche Liebschaft mit einem muslimischen Mädchen. Eines Tages hält zu einer ungewöhnlichen Zeit ein Zug in Mano Majra. Etwas Unheilvolles, etwas Gespenstisches geht von ihm aus: Der Zug ist voll mit Leichen ermordeter Sikhs. Das Grauen hat auch Mano Majra erreicht, jetzt zählt auch hier nur noch, wer welcher Religion angehört. Der Roman erschien erstmals 1956, heute ist er in Indien ein Klassiker. Khushwant Singh erzählt anhand von zahlreichen Einzelschicksalen in erschütternder Weise von der größten politischen, sozialen, menschlichen Katastrophe Indiens, vom abrupten Wandel einer friedlichen Welt in die Hölle des Krieges, der noch heute grausame Nachwirkungen zeigt: im Kaschmirkonflikt, in blutigen Ausschreitungen zwischen den Religionsgruppen, in der Zerstörung von Moscheen und Tempeln.

Khushwant Singh, geboren 1913, ist Indiens bekanntester Schriftsteller und Kolumnist, war der Mitbegründer von Yojna und Redakteur der Illustrated Weekly of India, dem National Herald und der Hindustan Times. Von 1980 bis 1986 war er Mitglied des indischen Parlaments. Khushwant Singh lebt in Delhi.

Der Zug nach Pakistan von Khushwant Singh ist im Insel Verlag erschienen.

(JK 31/05/08)

Charif Majdalani: Das Haus in den Orangengärten (Knaus)

Eine Familiensaga aus dem Libanon des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, einer versunkenen Welt voller Gerüche, Farben und wundersamer Begebenheiten. Vor dem Hintergrund des Aufstiegs und Niedergangs der wohlhabenden Familie Nassar erzählt Charif Majdalani in seinem Roman Das Haus in den Orangengärten, das bei Knaus erschienen ist, die Geschichte einer Region, die bis heute von großen politischen Umwälzungen und Krisen erschüttert wird. Im lebensprallen, von europäischer wie orientalischer Kultur und Religion geprägten Beirut der letzten Jahre des 19. Jahrhunderts nimmt die Geschichte von Wakim Nassar ihren Anfang. In den Straßen und Kaffeehäusern pulsiert das Leben. Der junge Wakim geht seinen Geschäften als Vermittler von Käufen und Verkäufen nach, bis eine undurchsichtige Affäre ihn aus der Stadt treibt. Im kargen Umland, das von der Seidenraupenzucht geprägt ist, nimmt er ein herrenloses Stück Land in Besitz und pflanzt dort gegen den Rat der Ältesten Orangenbäume. Nach anfänglichen Rückschlägen erweist sich die erste Orangenplantage der Gegend als Goldgrube. Wakim heiratet die selbstbewusst-attraktive Hélène und baut als Zeichen des stetig wachsenden Wohlstands ein großes Haus. Nassar-Orangen sind bald in den Palästen des Orients zu Hause. Doch die Tage der friedlichen Koexistenz im Libanon sind gezählt. Eine Gefahr zieht herauf, die das Glück des Hauses Nassar bedroht.

Charif Majdalani, 1960 im Libanon geboren, studierte in Frankreich und lehrt heute als Professor an der Universität von Beirut. Sein Debütroman Das Haus in den Orangengärten wurde von der Presse hoch gelobt und für die wichtigsten französischen Literaturpreise nominiert.

Das Haus in den Orangengärten von Charif Majdalani ist bei Knaus erschienen.

(JK 05/08)

Leslie Kaplan: Fever (Berlin Verlag)

Leslie Kaplans Buch Fever, das nun als Taschenbuch im Berlin Verlag erschienen ist, ist ein fesselnd erzählter Roman über die Mordtat zweier Pariser Schüler, über die „Banalität des Bösen“, wie sie auch heute überall und jederzeit möglich ist. Der Roman setzt mit einem Paukenschlag ein: dem Mord an einer jungen blonden Frau, begangen von zwei Abiturienten, die sich ihr Opfer nach dem Zufallsprinzip ausgesucht haben. Ein klassischer „acte gratuit“, ein absurder Akt der Revolte, ganz in der Tradition von Dostojewskis Verbrechen und Strafe oder André Gides Verliesen des Vatikans. Und wie bei den Vorbildern steht nicht das Verbrechen im Zentrum, sondern die Auswirkungen auf die Täter. Bei beiden stellen sich, zunächst unmerklich, Störungen ein, Desinteresse, Aggressionsausbrüche, Albträume. War der Zufall, durch den sie sich vor Entdeckung geschützt glaubten, doch nicht so zufällig? Hatte das blonde Opfer nicht große Ähnlichkeit mit der verehrten, aber unerreichbaren Philosophielehrerin? Und liegt in ihrer Familiengeschichte nicht ein Muster vor, dem sie unbewusst folgten? Pierres Großvater Elie, ein galizischer Jude, hat seit Jahren das Schweigen gewählt und Damiens Großvater René arbeitete für Vichy in der Kollaboration. Vererben sich verdrängte und verschwiegene historische Verbrechen weiter?

Leslie Kaplan wurde in Amerika geboren, in einer jüdischen Familie polnischer Herkunft; sie wuchs in Paris auf, wo sie heute als freie Autorin lebt.

Fever von Leslie Kaplan ist im Berlin Verlag erschienen.

(JK 31/05/08)

Hanne-Vibeke Holst: Seine Frau (Diana)

Im Roman Seine Frau von der dänischen Autorin Hanne-Vibeke Holst, der im Diana Verlag erschienen ist, entkommt eine Frau der Hölle. Sie spürt, wie die Angst ihr langsam die Kehle zuschnürt, und sie weiß, niemand wird sie schützen können. Vor der Wut des Mannes, der sie längst nicht mehr liebt. Vor dem erfolgreichen Parteifunktionär, der mit ungeheurer Brutalität ihr Leben zerstört. Vor ihrem Mann. Aber Linda Jacobsen entkommt dieser Hölle. Und Rache ist immer gerecht... Linda Jacobsen, die Frau des dänischen Finanzministers, verfolgt am Wahlabend die Niederlage seiner Partei einsam in ihrer Villa vor dem Fernseher. Das Gesicht ihres Mannes sagt ihr schon jetzt, was sich hinter der Fassade dieses so entgegenkommenden, rhetorisch gewandten Machtmenschen verbirgt. Sie weiß, dass Gert seine Frustration später, wenn er nach Hause kommt, an ihr auslassen wird. Und sie behält Recht. Was nun folgt, ist die Geschichte einer Frau, die trotz vieler Zweifel und Rückschläge den Mut aufbringt, sich aus einer Ehe zu befreien, die für sie jahrelang die Hölle war. Noch wiegt sich Gert in Sicherheit, glaubt immer noch, er und Linda könnten weiterhin in der Öffentlichkeit das perfekte Paar spielen, damit er die Macht in seiner Partei zurückgewinnt. Doch Gert Jacobsen hat die Rechnung ohne seine Frau gemacht!

Hanne-Vibeke Holst ist in Dänemark eine der populärsten Autorinnen von Kinder und Jugendbüchern. Sie ist dreifache Mutter und wohnt in Kopenhagen. Ihre Romane Mann umständehalber abzugeben und Meerjungfrau sucht Mann fürs Leben wurden in Dänemark in kürzester Zeit zu Bestsellern. Mit ihrem neuesten Roman Seine Frau stand sie monatelang in Dänemark, Schweden und Norwegen auf den Bestsellerlisten. Hanne-Vibeke Holst ist dreifache Mutter und lebt in Kopenhagen.

Seine Frau von Hanne-Vibeke Holst ist im Diana Verlag erschienen.
(JK 31/05/08)

Alaa al-Aswani: Chicago (Lenos)

Histologie, die Lehre vom Gewebe, so heißt es einmal in Chicago, dem neuen Roman von Alaa al-Aswani, der bei Lenos erschienen ist, sei grundlegend für das Erkennen aller Krankheiten und damit die Möglichkeit ihrer Behandlung. Was läge also näher, als einen Roman, der alle möglichen interkulturellen Verhaltensmuster zeigt, „gesunde“ und „kranke“, an einem Institut für Histologie anzusiedeln? Alaa al-Aswani nimmt dasjenige an der Universität von Chicago, wo er selbst den Dr. med.dent. erworben hat. Es ist ein buntes Volk, das sich dort trifft: Männer und Frauen, Amerikaner und Ägypter, Studierende und Dozierende. Sie lieben Ägypten und verabscheuen die USA oder umgekehrt, und sie bewältigen unterschiedlich gut den Umgang mit dem Fremden. Doch der Schatten des ägyptischen Staates folgt ihnen in Form des Geheimdienstapparats. Alle ahnten es schon immer. Gewissheit erhalten sie angesichts eines hohen Besuchs vom Nil. Wie schon in seinem Roman Der Jakubijân-Bau gelingt es Alaa al-Aswani auch in Chicago, Privates, Öffentliches und Politisches einfühlsam und spannend zu verknüpfen. Und dies in einer globalisierten Welt nach den Anschlägen vom 11. September 2001.

Alaa al-Aswani wurde 1957 in Ägypten geboren. Er hat das französische Gymnasium in Kairo besucht und in den USA Zahnmedizin studiert. al-Aswani lebt in Kairo, wo er als Zahnarzt, Journalist und Schriftsteller tätig ist. Mit Der Jakubijân-Bau gab al-Aswani auf deutsch sein literarisches Debüt. Das Werk ist der meistbeachtetste Bestseller der zeitgenössischen arabischen Literatur.

Chicago von Alaa al-Aswani ist bei Lenos erschienen.

(JK 31/05/08)

Risto Isomäki: Die Schmelze (BLT)

Einen spannenden Roman zum aktuellen Thema Erderwärmung hat der Finne Risto Isomäki mit seinem Thriller Die Schmelze geschrieben, der bei BLT erschienen ist. Unfassbar viele menschliche Knochen werden am Meeresboden im Golf von Khambat entdeckt. Die indische Forscherin Amrita und der Russe Sergej erkennen sofort: Dies waren die grausamen Folgen einer Eisschmelze vor Tausenden von Jahren im Himalaja. Die Knochen sind Zeuge einer Naturkatastrophe, die sich heute genauso wiederholen kann! Der Eisexpertin Chang hat am anderen Ende der Welt, in Grönland, das wegbrechende Eis direkt vor Augen. Es gibt nur eine Möglichkeit, die dramatische Entwicklung noch aufhalten. Aber haben die Mächtigen der Welt ein Einsehen? Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt...

Risto Isomäki, geboren 1961, ist Schriftsteller, Wissenschaftsredakteur und Umweltaktivist. Er hat bereits an mehreren internationalen Umweltprojekten mitgearbeitet. Die Schmelze ist sein vierter Roman und war 2005 für den finnischen Literaturpreis nominiert. Außerdem erhielt er die „Kiitos kirjasta/Danke für das Buch“-Medaille von den finnischen Buchhändlern und wurde damit zur wichtigsten Neuerscheinung des Jahres gewählt. Risto Isomäki versteht es, bewiesene Fakten mit fiktiven Zukunftsvisionen auf extrem spannende Weise zu verbinden.

Die Schmelze von Risto Isomäki ist bei BLT erschienen.

(JK 31/05/08)

Karin Fossum: Wer anders liebt (Piper)

Zwei Opfer, eine Leiche und keine Spuren: Karin Fossums neuer Bestseller um Kommissar Konrad Sejer Wer anders liebt, der bei Piper schienen ist, lotet unnachsichtig und mit psychologischer Raffinesse einen Fall aus, bei dem ihre Figur auf dem beängstigend schmalen Grat zwischen Gut und Böse wandelt. Ruhe hatten sie sich von diesem Waldspaziergang erhofft, ein wenig Ablenkung. In ihrer Ehe lief es nicht so gut in letzter Zeit. Und nun diese grausame Entdeckung: Blutüberströmt liegt ein Junge vor ihnen auf dem Weg, tot. Aber für Kommissar Sejer und Assistent Skarre gibt es wenige Spuren: Das Ehepaar Reinhardt will den Täter sogar gesehen haben, er habe Ähnlichkeit mit Hans Christian Andersen, dem großen Dichter. Dann verschwindet ein zweites Kind, Edvin, und die Angst vor einem Serientäter zwingt Sejer zu einer raschen Lösung - doch Edvin bleibt spurlos verschwunden, und den einzigen Verdächtigen muss Sejer wieder laufen lassen. Psychologische Hochspannung und ein Täter, dem das Gefühl für Richtig und Falsch, Gut und Böse längst verloren gegangen ist.

Karin Fossum, geboren 1954 in Sandefjord/Norwegen, lebt in Sylling bei Oslo. Ihre international erfolgreichen und von der Kritik hoch gelobten Romane um Kommissar Konrad Sejer sind vielfach preisgekrönt und wurden fürs Kino und Fernsehen verfilmt. In Deutschland erschienen von ihr zuletzt Stumme Schreie, Dunkler Schlaf , Schwarze Sekunden, der von der Schwedischen Akademie mit dem Preis des besten ausländischen Kriminalromans ausgezeichnet wurde, und Der Mord an Harriet Krohn.

Wer anders liebt Karin Fossum ist bei Piper erschienen.

(JK 31/05/08)

Ildefonso Falcones: Die Kathedrale des Meeres (Scherz)

14. Jahrhundert in Spanien: Die Landbevölkerung stöhnt unter dem Joch der Feudalherren. Barcelona jedoch ist frei. Und Barcelona ist reich. Hier macht der junge Arnau seinen Weg vom mittellosen Steinträger zu einem der angesehensten Bürger der Stadt. Er ist Teil eines unerhörten Plans: die Errichtung einer Kathedrale, die den Himmel stürmen soll. Die Kathedrale des Meeres heißt der historische Roman des katalanischen Autors Ildefonso Falcones, der bei Scherz erschienen ist. Das mittelalterliche Barcelona steht in höchster Blüte. Dort erlebt der junge Arnau den Bau von Santa María del Mar, einer riesigen Kathedrale, wie sie das Land noch nicht gesehen hat. Im Schatten des mächtigen Bauwerks erfährt er am eigenen Leib, welch schweres Los die Arbeit dort ist. Mit den anderen Steinträgern schleppt der Vierzehnjährige die riesigen Felsblöcke vom Montjuïc bis hinunter an den Hafen. Doch während sich die Kathedrale des Meeres in den Himmel reckt, wirft sie auch dunkle Schatten auf das Leben der Menschen: Das Volk leidet unter der Willkür des Adels, die Pest lauert vor den Toren. Und Arnaus Aufstieg zu einem der angesehensten Bürger der Stadt droht ihm zum Verhängnis zu werden: Er wird Opfer einer Intrige, und sein Leben gerät in höchste Gefahr.

Ildefonso Falcones de Sierra arbeitet als Anwalt in Barcelona. Er ist verheiratet, Vater von vier Kindern und wurde vom Erfolg seines Buches, an dem er fünf Jahre geschrieben hat, völlig überrascht. Die Kathedrale des Meeres erscheint in über 30 Ländern. Falcones widmet den Roman dem Volk von Barcelona, das es geschafft hat, in dem kurzen Zeitraum von 55 Jahren eine der schönsten gotischen Kirchen der Welt zu bauen.

Die Kathedrale des Meeres von Ildefonso Falcones ist bei Scherz erschienen.

(JK 31/05/08)

Eran Bar-Gil: Zwillingsstern (Rowohlt Berlin)

In seinem Roman Zwillingsstern, der bei Rowohlt Berlin erschienen ist, erzählt der israelische Autor Eran Bar-Gil von Zwillingen, die, getrennt adoptiert, auseinander gerissen werden und durch einen unerhörten Zufall doch zueinander finden. Israel 1977. Es ist der heißeste Tag des Jahres, Jonis Geburtstag, und wie immer an diesem Tag befällt seine Mutter eine eigentümliche Beklemmung. Selbst als sie ihn fröhlich in seinem Zimmer spielen weiß, quälen sie Bilder von einem anderen Jungen, von einer Entscheidung vor langen Jahren. Und während sie meint, ihren Sohn zu schützen, hält sie doch nur die Wahrheit von ihm fern. Schauplatzwechsel, Israel heute. Dan steht kurz vor seinem ersten Violinkonzert, ist mit gerade mal dreißig Solist bei den Philharmonikern, ein Mann, der ganz für die Musik lebt. Doch seine Freundin verlässt ihn, weil er nur noch übt, und plötzlich verschwindet auch noch sein geistig verwirrter Vater. Dan muss sich seiner Familie und seiner Vergangenheit stellen und allmählich wird deutlich, wo seine Geschichte der von Joni ähnelt. Bis schließlich, am Abend von Dans großem Konzert, zwei Männer zusammentreffen, die sich aufs Haar gleichen. Eine starke und ungeahnte Spielart des Zwillingsmotivs, ein Roman, gebaut wie eine moderne Symphonie, raffiniert und von einer verblüffenden, hochklassigen Spannung.

Eran Bar-Gil lebt als Musiker und Schriftsteller in Israel. Er wurde 2006 für diesen Roman mit dem Bernstein-Preis für den besten israelischen Roman ausgezeichnet.

Zwillingsstern von Eran Bar-Gil ist bei Rowohlt Berlin erschienen.
(JK 31/05/08)

Loes den Hollander: Der letzte Freitag (Rowohlt)

Wenn die Mutter mit dem Freund ihrer Tochter… So stellt sich die Konstellation im Thriller Der letzte Freitag von Loes den Hollander dar, der im Rowohlt Verlag erschienen ist. Sandra van Dalsum hatte schon häufiger außereheliche Affären. Aber noch keine war so intensiv wie die mit Jochem, dem Freund ihrer Tochter. Dann werden Jochem und eine Unbekannte grausam ermordet im Hotel De Beurs gefunden, dem Hotel, in dem Sandra ihn immer traf. Langsam wird ihr klar, dass der Anschlag eigentlich ihr galt. Und der Mörder ist noch auf freiem Fuß.

Loes den Hollander hat einen Abschluss im Gesundheitswesen gemacht und arbeitete als Direktorin einer Pflegeanstalt. Sie ist Redakteurin von Denkbeeld, einer Fachzeitschrift für Gesundheitsfürsorge.

Der letzte Freitag von Loes den Hollander ist bei Rowohlt erschienen.

(JK 31/05/08)