Cem Yildiz: Fucking Germany (Westend)

Es ist ein Tabu: die männliche Prostitution. Cem Yildiz erzählt in seinem Buch Fucking Germany – das letzte Tabu oder mein Leben als Escort, das bei Westend erschienen ist, als Insider aus der verborgenen Welt der männlichen Prostitution, in der Erniedrigung und Abhängigkeit, gekaufte Zärtlichkeit, Sonderwünsche und Exzesse, aber auch die Suche nach Geborgenheit und Liebe alltäglich sind. Alles mitten unter uns, gleich nebenan, nachts wie tags, aber weitgehend unbeachtet.

Cem ist ein professioneller Escort. Er lässt sich für Sex bezahlen. Knapp hundert Euro kostet es, sich eine Stunde lang die Bedürfnisse nach schnellem Sex, nach Erniedrigung und Autorität, nach Zuwendung und Geborgenheit befriedigen zu lassen. Das ist nicht ganz unbekannt. Gänzlich unbekannt sind die Ausmaße dieses speziellen Zweiges der Dienstleistungsbranche, der hohe Grad an Organisiertheit sowie die Vielfältigkeit der Kundschaft: Manager, Messebesucher, die Parfümverkäuferin, Hartz-IV-Empfänger oder der Nachbarpapi. Cem Yildiz erzählt aus einer Welt, in der Exzesse, Gewalt, Drogen, aber auch grenzenlose Hoffnungslosigkeit herrschen und in der zwischen Pissoir, Hotelsuite, verzweifelten Strichjungen und Drei-Sterne-Escorts alles vertreten ist.

Cem Yildiz entschied sich nicht aus einer Zwangslage oder aus Not seinen Körper zu verkaufen, sondern es war eine freiwillige Entscheidung. Es lockten ihn das schnelle Geld und der Spaß am Sex. Die Beschreibungen bezeugen ein Leben ohne Sentimentalität, es herrscht eine große Distanz zu den Kunden, für die der Callboy mehr Verachtung als Mitleid empfindet. Nervenkitzel bei arrangierten Vergewaltigungen, Erniedrigungen aller Art verstärken den verstörenden Eindruck. Es beschleicht den Leser ein krasser Widerspruch mit den Aussagen Cem Yildiz über seine Motivation diesen Beruf auszuüben und im Gegensatz dazu die Schilderung seiner Gefühle den bizarren Kunden und ihren Aufträgen gegenüber. Es entsteht ein bedenkliches Bild, insbesondere dann wenn man von diesen exotischen Auswüchsen der Sexualität einiger weniger verleitet wird, dies auf alle Schwule als Gesamtheit zu verallgemeinern und somit auszugrenzen. Man kann nur hoffen, dass das nicht des Autors Absicht war. Es stellt sich jedoch beim Lesen ein unangenehmes Bauchgefühl ein. Schade!

Cem Yildiz, Jahrgang 1978, ist gelernter Konditor mit türkischer Mutter und deutschem Vater und ist seit seinem 17. Lebensjahr Escort. Er lebt in Berlin und bildet sich zur Zeit zum Heilpraktiker fort.

Fucking Germany von Cem Yildiz ist bei Westend erschienen.

(JK 11/09)

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