Hakan Günday: Extrem (btb)

Der Roman Extrem des türkischen Autors Hakan Günday, erschienen bei btb, ist eine Hymne auf die Literatur und die Liebe.

Dies ist die Geschichte der elfjährigen Derdâ, Schülerin auf einem ostanatolischen Internat, in dem eines Nachts ein Mädchen ums Leben kommt. Dies ist die Geschichte des elfjährigen Friedhofsjungen Derda, der in einer Behausung an der Istanbuler Friedhofsmauer lebt und den Tod seiner Mutter geheim halten muss.

Dies ist die Geschichte von Derdâ, die mit dem Anführer eines islamistischen Ordens verheiratet und nach London geschickt wird. Die zum Opfer männlicher Fantasien wird. Und die nur überlebt, weil sie sich die ihr fremde Sprache aneignet, während ihr alles andere genommen wird. Und von Derda, der sich mit Sechzehn mit dem Verkauf von Raubkopien an Straßenbuchhändler über Wasser hält. Und der ein glühender Verehrer eines türkischen Kultautors wird.

Es ist die Geschichte zweier Menschen, deren Wege sich über die Literatur immer wieder kreuzen – und am Ende auch eine ganz besondere, weil außergewöhnliche Liebesgeschichte.

Hakan Gündays Themen sind Menschen- und Drogenhandel, Kurdenkonflikt, islamistischer Terror. Seinen Protest kommuniziert er mit Radikalität, Phantasie und Humor, in seinen Romanen wie in seinen politischen Kolumnen. Sein Vorbild ist der umstrittene französische Schriftsteller Louis-Ferdinand Céline, der realistische Schilderungen des Kriegselends mit einem schonungslosen sexuellen Zynismus verband und die Kritik polarisierte. Gündays Roman Extrem ist harter Tobak. Günday kennt keine Tabus, lässt seine Protagonisten in einem Strudel aus Gewalt, Drogen und Unterdrückung kreisen und thematisiert Zwangsehe, sexuelle Verrohung und Gewalt an Frauen und Kindern in der Türkei. Der Autor legt es darauf an, die Bilder aus seinen Geschichten dem Leser ungefiltert einzutrichtern. Dem kann man entgegenhalten, dass es eine solch explizite zur Schaustellung nicht braucht und der Kontext jedem Leser nur allzu klar ist. Doch Günday steht auf dem Standpunkt, dass es solch roher Ausgestaltung seiner Bilder bedarf, um seine Botschaft unters Volk zu bringen, und sie auch diejenigen erreicht, die seine Bücher nicht lesen. Der Erfolg in seinem Heimatland scheint ihm Recht zu geben.

Hakan Günday, geboren 1976 im griechischen Rhodos, studierte Französisch in der Türkei und in Brüssel, anschließend Politikwissenschaften in Ankara. Diplomatensohn, Bestsellerautor, Drehbuchautor, Provokateur, Enfant terrible der jungen türkischen Literatur. Seine Romane sind gleichermaßen Bestseller wie Kultbücher. Seine vielen Fans feiern ihn für seine politischen Kolumnen, seine öffentlichen Debatten und dafür, dass alles, was er tut, aus dem Rahmen fällt.

Extrem
von Hakan Günday ist bei btb erschienen.
(JK 07/14)

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