Abaton
Kino
Dienstag
27.10.2015
19.00 Uhr
Allendeplatz 3, Hamburg
Eintritt: 7,50 – 8 Euro
Péter Gárdos stellt seinen Roman Fieber am
Morgen vor, der bei Hoffmann und Campe erschienen ist. Aus der deutschen
Übersetzung liest Christian Brückner, Gabriella Gönczy moderiert.
Er wiegt nur noch 29
Kilo, als man ihn aus dem KZ befreit, hat fast alle Zähne verloren und
Tuberkulose. Auf dem Schiff, mit dem Miklós in ein Sanatorium nach Schweden
gebracht wird, rettet ihm ein Arzt mit viel Glück das Leben, seine Prognose
lautet, dass er höchstens noch ein halbes Jahr leben wird. Doch Miklós hat ganz
andere Pläne: 117 jüdische Frauen aus seiner Heimatstadt Debrecen in Ungarn
sind, wie er erfahren hat, mit Hilfe des Roten Kreuzes in Krankenhäusern oder
Kurheimen in Schweden untergebracht. Und eine davon soll seine Frau werden.
Miklós Gárdos schreibt
117 Briefe und erhält tatsächlich eine Antwort von einer gewissen Lili Reich,
die seinen Brief so sympathisch findet, dass sie gerne mit ihm korrespondieren
möchte. Sie schreiben einander sechs Monate lang, von September 1945 bis zum
Februar 1946, in dem sie in der großen Synagoge von Stockholm von Rabbi
Kronheim getraut werden. Sogar der schwedische König schickt dem jungen Ehepaar
seine Glückwünsche. Eigentlich kennt man solche Liebesgeschichten sonst nur aus
Filmen und Romanen, doch diese hier ist tatsächlich wahr und verbürgt:
Jahrzehnte später überreicht seine Mutter dem vielfach ausgezeichneten Film-
und Theaterregisseur Péter Gárdos zwei Stapel mit den Briefen aus Schweden.
Péter Gárdos kannte die
Liebesgeschichte seiner Eltern, dass die Briefe aber über all die Zeit sorgsam
gehütet worden waren, wusste er nicht. Tief bewegt von der Lektüre schreibt er
die ungewöhnliche Liebesgeschichte anhand der Briefe auf und dreht einen
Spielfilm. Die ungarisch-schwedisch-israelische Koproduktion kommt
voraussichtlich im nächsten Jahr weltweit in die Kinos – und das Buch erscheint
in über 20 Ländern. In Deutschland hat es der Hoffmann und Campe Verlag „in
allerletzter Minute“ und obwohl es „noch nicht einmal ein Cover gab“, wie es in
der Verlagsvorschau heißt, ins Herbstprogramm aufgenommen. Inzwischen liegt Fieber
am Morgen mit einem sehr edlen, weißen Leineneinband in den Buchhandlungen.
Auf dem Buchrücken steht: „Es gibt keine andere – entweder sie oder ich
sterbe.“ Für Unentschlossenheit oder Sentimentalität hatte dieser Miklós
Gárdos, wie man daran sieht, absolut keine Zeit. Und wenn man das Buch dann
aufschlägt, findet man vielleicht auch noch dieses Zitat aus einem der Briefe,
in dem sich seine Lili als nicht weniger entschlossen zeigt: „Mein lieber
Miklós, ich bin sehr wütend auf Dich! Wie kann ein ernster, intelligenter Mann
von fünfzwanzig Jahren bloß so ein großer Esel sein? Reicht es Dir nicht, dass
ich mir über Deine Krankheit völlig im Klaren bin und es kaum erwarten kann,
dich zu treffen?“
Fieber am Morgen von Péter Gárdos ist bei Hoffmann und Campe erschienen.
(JK 10/15)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen