Dalmon Galgut: Arktischer Sommer (Manhattan)

In seinem Roman Arktischer Sommer, der bei Manhattan erschienen ist, folgt der südafrikanische Autor Damon Galgut dem britischen Autor E.M. Forster vom prüden England der Jahrhundertwende ins sinnliche Indien und zur Entstehung eines Meisterwerks.

Im Oktober 1912 nähert sich die SS City of Birmingham Indien. An Bord ist auch der 33-jährige Edward Morgan Forster, Autor von vier Romanen, die ihm in seiner Heimat bereits einigen Ruhm eingetragen haben. Nun ist er, beflügelt vom Erfolg seines jüngsten Werks Wiedersehen in Howards End, zu einer Reise ins Unbekannte aufgebrochen. Fern der Enge der englischen Kleinstadt Weybridge in Surrey zeichnet sich das Versprechen einer außergewöhnlichen Zukunft am Horizont ab. Und tatsächlich findet Forster – von der Sinnlichkeit Indiens gleichermaßen angelockt wie verstört – hier den Keim für einen großen Roman: ein diffuses erotisches Begehren und das Gefühl dräuenden Unheils unter einem gleißenden, leeren Himmel. Zwölf Jahre und zahllose innere Kämpfe werden diesem hoffnungsvollen Aufbruch folgen, bis daraus schließlich Forsters Meisterwerk Auf der Suche nach Indien entsteht.

EM Forster begann den Roman, den er Arctic Summer nannte, 1909  zu schreiben, nachdem er bereits drei Romane veröffentlicht hatte, die ihm erheblichen Ruhm als Schriftsteller eingebracht hatten. Indes hat EM Forster Arctic Summer nie vollendet. Doch schon der geheimnisvolle, schwermütige Titel beschwört hingegen die Schwierigkeiten, mit denen EM Forster Zeit seines Lebens zu kämpfen hatte –Unsicherheiten über das Schreiben, die Sexualität, seine Beziehungen und das British Empire, an dem Forsters Leben schließlich zerbrach. Es gibt in England hingegen Kritiker, die behaupten, dass wenn EM Forster Arctic Summer vollendet hätte, dies sein Meisterwerk gewesen wäre. Der südafrikanische Schriftsteller Damon Galgut hat nun ca. 100 Jahre später diese Vorgeschichte für seine eigene Romanhandlung verwendet als Hommage und aus Zuneigung zur Person Forsters. Es ist ein Projekt, das sehr gut zu Galgut passt, dessen Romane häufig das Terrain der Liebe, der Rasse und Politik berühren. Galgut hat sich der bekannten Quellen angenommen: Forsters erdrückende Mutter Lily, seine Reisen nach Indien, seine notwendigerweise unterdrückte Homosexualität, seine Angst, als Jungfrau zu sterben, die zwei Lieben seines Lebens und das Schreiben. Das alles hat Galgut geschickt in einen fesselnden Roman über Forsters Schreiben, seine sexuellen Nöte und Sehnsüchte verarbeitet. Eine große Recherchearbeit liegt hinter diesem schönen Roman doch wirkt er nie aufdringlich oder voyeuristisch. Er ist beispielhaft in seinem Ton und seinen Einblicken in Forsters Leben. Galgut ist wahrlich ein  schwieriges Kunststück gelungen.

Damon Galgut wurde 1963 in Pretoria geboren. Bereits mit siebzehn Jahren verfasste er seinen ersten Roman A Sinless Season. Mittlerweile zählt er zu den renommiertesten Autoren Südafrikas. Für seinen Roman Der gute Doktor wurde er für den Man Booker Prize nominiert, einen der bedeutendsten internationalen Literaturpreise. Der Roman wurde als „bestes Buch des Jahres“ mit dem Commonwealth Writers Prize ausgezeichnet. Auch der nachfolgende Roman Der Betrüger wurde für zahlreiche Literaturpreise nominiert, und mit In fremden Räumen stand der Autor erneut auf der Shortlist des Man Booker. Damon Galgut lebt in Kapstadt, wenn er nicht gerade auf Reisen ist.

Arktischer Sommer von Dalmon Galgut ist bei Manhattan erschienen. 
(JK 03/15)

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