Der
südafrikanische Autor Paul Mendelson hat mit seinem Buch Die Unschuld
stirbt, das Böse lebt, erschienen bei Rowohlt Polaris, einen phantastischen
Thriller geschrieben mit einer Auflösung, die die Grenzen des Genres sprengt.
In
Kapstadt werden in einem Müllcontainer die Leichen zweier Halbwüchsiger
gefunden – nackt und in Plastikfolie gewickelt. Die Obduktion ergibt: Die
Jungen hatten jahrelang keine Sonne gesehen. Sie wurden sexuell missbraucht.
Jeder der beiden ist an einem Schuss direkt ins Herz gestorben. Senior
Superintendent de Vries erkennt sofort die Verbindung zu einem Fall, an dem er
seinerzeit fast zerbrach. Damals verschwanden Kinder weißer Polizisten. Verdächtige
finden sich schnell. Aber de Vries hat zunehmend das Gefühl, manipuliert zu
werden. Seine Ermittlungen werden behindert. Hierarchien und Hautfarben
scheinen wichtiger als die Lösung des Falls. De Vries holt sich daraufhin nicht
ganz legale Unterstützung von außen. Und dann fällt der Name eines Mannes, der
schon damals sein Gegner war…
Für
einen ersten Roman ist Paul Mendelsons Thriller erstaunlich gut geschrieben. Er
liefert eine flüssig vorwärtstreibende
Handlung mit faszinierenden Charakteren. Hinzu kommen die komplexen sozialen
Fragen aus dem südafrikanischen Umfeld und bietet so jede Menge Zutaten für den
Erfolg. Es fällt auf, dass Mendelson das Spektrum der Figuren nicht nur auf die
weisse Oberschicht beschränkt – es gibt auch arme Weiße, die versuchen, Fuß zu
fassen im neuen Südafrika. Mendelson schaut genauer auf andere Brüche in dieser
komplexen Welt – Entrechtung der im
südafrikanschen Wortlaut „coloured“ Bevölkerung, also der überwiegenden Bevölkerungsmehrheit
der Mischlinge (zumindest Im Westkap, der Provinz von Kapstadt) und die unverblümte
Bevorzugung der schwarzen Ethnie der Zulus unter dem umstrittenen Präsidenten Jacob
Zuma. In einem solchen Chaos ist die dauerhafte gegenseitige Achtung des
weissen Polizisten von de Vries zu seinem „coloured“ Kollegen Dan February nicht
nur ein Merkmal der Erzählung sondern gibt zusätzliche, den Leser bewegende
Tiefe zur Charakterisierung seiner Figuren.
Paul Mendelson ist
Dramatiker, Drehbuchschreiber, Journalist, Kolumnist, Sachbuch- und
Thrillerautor. Der erste Roman aus der Serie um Colonel Vaughn de Vries
gelangte auf die Shortlist des wichtigsten britischen Krimipreises und auf die
ZEIT-Krimi-Bestenliste; die Film- und Fernsehrechte sind optioniert. Der Autor
lebt abwechselnd in London und Südafrika.
Die Unschuld stirbt, das Böse lebt von Paul Mendelson ist bei Rowohlt
Polaris erschienen.
(JK 06/16)
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