Flandern und die Niederlande –
Ehrengast 2016 der Frankfurter Buchmesse
Ich kann nicht mehr. Den
Zettel mit seinen letzten Worten deponiert der schöne, stille Boy in der
Manteltasche seiner Theaterlehrerin. Als sie ihn findet, ist es längst zu spät.
Ein Paar nimmt in einem afrikanischen Kinderheim ihren Adoptivsohn in Empfang.
Sie sind unsicher, aber voller Hoffnung. Sie wollen dieses Kind retten, ihm die
Welt eröffnen, alle Zoos und Vergnügungsparks besuchen. Aber ihr Boy ist
nervös, ängstlich, durch Kleinigkeiten zu verstören. Erst nuschelt er, dann
stottert er, dann hört er ganz auf zu sprechen. In der Schule ist er ein
Außenseiter, dessen Mitschüler zu seiner Geburtstagsparty nicht erscheinen.
Seine Eltern bemühen sich, aber seine Höflichkeit ihnen und ihren Angeboten
gegenüber verwandelt sich in Unnahbarkeit. Spätestens als er aufhört, Kind zu
sein, haben sie ihn verloren.
Berührend, ergreifend und
ohne Voyeurismus dringt die Autorin tief in die Seelen ihrer Figuren ein, sie
folgt dem Weg der Trauer, den die Eltern und die Lehrerin als seine einzige
Vertrauensperson gehen, sie erspürt die Wucht der Schuld und das Bedürfnis nach
Rache für eine Tat, die nicht gerächt werden kann.
Wytske Versteeg, geboren
1983, ist Politikwissenschaftlerin und Essayistin und hat sich länger mit dem
Thema Obdachlosigkeit befasst. Boy ist ihr zweiter Roman. Ebenso wie ihr
Debüt preisgekrönt, wurde er bereits in mehrere Sprachen übersetzt.
Boy von Wytske Versteeg ist bei Wagenbach
erschienen.
(JK 10/16)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen