Yann Martell: Die hohen Berge Portugals (S. Fischer)

Nach dem Bestseller Schiffbruch mit Tiger ist bei S. Fischer der neue Roman von Yann Martel Die Hohen Berge Portugals erschienen.

Lissabon, Anfang des 20. Jahrhunderts: In einem sogenannten Automobil begibt sich der junge Tomás auf eine abenteuerliche Expedition in die hohen Berge Portugals. Damit beginnt ein tragikomischer Roadtrip, der ein unvorhergesehenes Ende nehmen soll. Doch das ist erst der Anfang einer phantastischen Geschichte, die die hohen Berge Portugals noch Jahrzehnte später umweht wie ein tragischer Zauber. 

Yann Martells Buch entpuppt sich eher als drei Erzählungen als ein einzelner zusammenhängender Roman. Die Geschichten, die genial miteinander verbunden sind, variieren stark in Ton und Qualität. Bei den ersten beiden Geschichten erahnt man das erzählerische Geschick des Autors, doch erst in der dritten zeigt Yann Martell seine Klasse.

Der erste Teil beginnt mit Tomás, einem portugiesischen Witwer, der zu einer Zeit lebt, in der das Auto eine bizarre neue Erfindung ist, die in den ländlichen Gemeinden der hohen Berge selten gesehen wird. Die Reise, die er beginnt, ist eine spirituelle Mission, die, wie er hofft, auch seine eigene Seelenheilung unterstützen wird – er trauert und sucht nach einem „verlorenen“ Affen-Kruzifix. Das Kreuz kann zu etwas Wichtigem führen und so folgt man seiner abwechselnd traurigen und pikaresken Reise, bis ein Unfall passiert.

Der zweite Teil springt zu Eusebio Lozora, einem weiteren Witwer und Pathologen, der zwei seltsame Besuche erhält. Dieses Mal manifestiert sich der Affe in einem plötzlichen Ausbruch des magischen Realismus. Existenzielle Fragen des Lebens, des Todes und des Wortes tauchen auf. 

Der dritte – und fesselndste – Teil folgt Peter Tovy, einem kanadischen Senator und dritten Witwer des Buches, der einen Affen namens Odo adoptiert und zu einem Road Trip mit Affen in die portugiesischen Hügel aufbricht. Man wünscht, Martel hätte den Roman hier begonnen und von dort weitergeführt. Denn die beiden vorangegangen Geschichten stoppen bewusst in dem Moment, wenn sie Fahrt aufnehmen. Der dritte Teil ist nicht nur der gelungenste, weil Martell die losen Enden der Geschichten zufriedenstellend zusammenbringt, sondern weil Martel es auf eigentümliche Weise schafft, die emotionale Aufladung und den Charme einer Tier-Mensch-Beziehung zu erfassen. Peters Freundschaft basiert hier auf der gleichen Mischung aus Angst, Ehrfurcht und Not, die Pi gegenüber seinem Tiger empfand, und Odos tiefes Anderssein beruhigt Peter auf den turbulenten Höhen und Tiefen der Trauer, Einsamkeit und des Alters.

Yann Martel wurde 1963 in Spanien geboren. Er wuchs in Costa Rica, Frankreich, Mexiko, Alaska und Kanada auf, als Sohn eines Diplomaten, und lebte später im Iran, in der Türkei und in Indien. Sein Roman Schiffbruch mit Tiger erschien in über 50 Ländern, wurde millionenfach verkauft und 2002 mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Die Verfilmung von Regisseur Ang Lee wurde 2013 mit vier Oscars prämiert. Yann Martel lebt mit seiner Familie in Saskatoon, Kanada. 

Die hohen Berge Portugals von Yann Martell ist bei S. Fischer erschienen. 
(JK 08/16)

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