Frankreich – Ehrengast 2017 der
Frankfurter Buchmesse
Arthur
Rimbaud ist zum Mythos geronnen. Seine Werke sind zu Meteoriten verklärt und
gelten vielen Lesern immer noch als Kronzeugen für die vermeintliche
Unverständlichkeit moderner Lyrik. Rimbauds vollständige Korrespondenz,
sämtliche zu Lebzeiten gedruckten Werke (auf Grundlage der Handschriften neu
übersetzt) sowie alle zeitgenössischen Rezensionen liegen mit Jean-Jacques
Lefrères monumentaler Rimbaud-Edition nun erstmals auf Deutsch vor. Ein
hierzulande noch weitgehend unbekannter Rimbaud offenbart sich. Seine zwei
Leben begegnen sich zwischen Buchdeckeln. Umblättern heißt ungeheure
Entfernungen zurücklegen: Während 1889 in einer kleinen Pariser Zeitschrift zum
ersten Mal Rimbauds »An die Musik« erscheint, sitzt der Verfasser in Harar und
schreibt Rechnungen für die mit ihm in Verbindung stehenden Kaufleute in Schoa
oder Aden. Und verweigert jeden Bezug zwischen sich und den Heften, in denen er
gedruckt wird, jeden Bezug zwischen seinem Leben und der speziellen Lebensweise
der Veröffentlichung, die ihm widerfährt – zu spät. Wie kaum ein Dichter vor
ihm hatte Rimbaud die Dichtung aus ihrer Zeit hervorgehen lassen. Aus der und
gegen die Literatur seiner Zeit bezog er den Stoff für sein dichterisches
Denkmal der Pariser Kommune. In der Überfülle unterschiedlichster Dokumente
wird lesbar, wie der Dichter zum Schweigen gebracht, aus dem Schreiben
vertrieben wurde – und wie er sich letztlich in dieses Schicksal fügte.
Jean
Nicolas Arthur Rimbaud wurde am 20. Oktober 1854 in Charleville geboren. Von Georges Izambard beeinflusst,
veröffentlichte er seine ersten Gedichte. Bei Ausbruch des
Deutsch-Französischen Krieges floh Rimbaud zum ersten Mal, gelangte nach Douai
und trat dort in die Nationalgarde ein, mit der er die Schrecken des Krieges
erlebte. Damals schrieb er Le Dormeur du val. Seine dritte Flucht aus
Charleville führte ihn nach Paris, wo er Journalist wurde. In Paris nahm
Rimbaud auch am Aufstand der Pariser Kommune teil und schreibt L‘orgie
parisienne ou Paris se repeuple (dt. Die Pariser Orgie oder Paris bevölkert
sich wieder).Im August 1871 nimmt er Briefkontakt zum arrivierten Dichter
Paul Verlaine auf, der ihn nach Paris einlädt, ihn unterstützt und fördert.
Rimbaud und Verlaine hatten eine leidenschaftliche homoerotische Beziehung. Im
selben Jahr schloss er sich dem von Charles Cros gegründeten Dichterkreis
Circle des poètes Zutiques an. Arthur reiste in Begleitung von Verlaine, der
seinetwegen seine Frau verlassen hatte, nach London und hielt sich längere Zeit
in Belgien auf. An beiden Orten experimentierte er mit Drogen, insbesondere mit
Absinth. Während eines Streits zog Verlaine plötzlich eine Pistole, schoss und
verletzte Rimbaud an der Hand. Dies war ihre letzte Begegnung. Verlaine
verbrachte die nächsten zwei Jahre im Gefängnis. Rimbaud kehrte nach Roche auf
den Bauernhof seiner Familie zurück und vollendete – als Reflexion auf diese
Zeit – sein bedeutendstes Werk Une saison en enfer (1873). Nach seinen Illuminations
(1873-1875) gab Rimbaud das Schreiben auf – er war 21– und führte bis 1880 ein
unstetes Wanderleben, das ihn nicht nur durch ganz Europa, sondern auch bis
nach Aden führte. In Afrika, hauptsächlich in Ägypten, Abessinien (Äthiopien)
und Jemen, betrieb er Handel mit Kaffee, Gewürzen, Gold, Elfenbein, Fellen und
Waffen. Ein Geschwulst im Knie führte zur Amputation des Beines, nachdem er in
Marseille wieder französischen Boden betreten hatte. Nach einem Monat kehrte er
nach Marseille zurück, „um einen schönen Tod zu sterben“. Am 10. November 1891
starb er in Marseille im Alter von 37 Jahren nach längerem Leiden an
Knochenkrebs. Er wurde auf dem Friedhof seiner Heimatstadt Charleville
begraben.
Korrespondenz von Arthur Rimbaud, herausgegeben
von Jean-Jacques Lefrère, ist bei Matthes & Seitz Berlin erschienen.
(JK 08/17)
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