Frankreich – Ehrengast 2017 der
Frankfurter Buchmesse
Im
Roman Jacob, Jacob von Valérie Zenatti, erschienen bei Schöffling, geht es um einen Krieg, den Zweiten Weltkrieg,
dessen Erschütterungen bis nach Nordafrika zu spüren sind.
Der
19-jährige Jacob Melki, Sohn einer bitterarmen jüdischen Schusterfamilie aus dem
algerischen Constantine, wird 1944 von der französischen Kolonialmacht
einberufen, um in den Krieg gegen die Deutschen zu ziehen. Jacob, der nicht als
französisch genug galt, um das Lycée zu besuchen, ist auf einmal französisch
genug, um für die Kolonialmacht im Schützengraben zu stehen. Wie soll er sich
zwischen den verschiedenen Kulturen entscheiden, die sein Leben bestimmen? Atmosphärisch,
poetisch und mit großer Empathie erzählt Zenatti von den Ängsten und
Hoffnungen des jungen Mannes, der eigentlich lieber Gedichte lesen als Menschen
erschießen will. Abwechselnd erzählt die Autorin von seinen Erlebnissen an der
Front und von seiner Familie, die unterdessen zu Hause mit ihren eigenen
Tragödien zu kämpfen hat.
Dina
Netz vom Deutschlandfunk meint: „Zenatti liefert eine beeindruckende und
wahrscheinlich schrecklich authentische Beschreibung der plötzlichen
Wechselfälle des Krieges zwischen GI's, die Schokolade schenken, und
explodierenden Granaten. Und eine detaillierte, enorm verdichtete und lebendige
Beschreibung einer archaischen dörflich-jüdischen Welt, in der eine
Hochschwangere den Boden wischen muss und die Männer den jüngsten Sohn, der
nicht spurt, im Keller anbinden und verprügeln.“
Valérie
Zenattis Roman beleuchtet den Zweiten Weltkrieg aus einer ungewöhnlichen Warte
– aus der Sicht der Kolonialisierten. Ihr gelingt es zum Herzen des
französischen Algeriens vorzustossen, in das Herz der Familie Melki. Getragen
durch den leuchtenden Charakter Jacobs, ist dieser Roman ein Buch von Frauen,
die warten, die sich unterwerfen, die allerdings auch wissen, wie man
revoltiert, um zu kämpfen, sich aufzudrängen. In der Liebe, Zärtlichkeit und
Wärme konzentriert sich der Roman auf die schmerzhaften Episoden für die Juden
Algeriens: Die Änderung ihres Status mit den Vichy-Gesetzen, deren
Einverleibung in die Armee und später ihre Flucht vor der algerischen
Befreiungsfront. Jacob, Jacob ist nicht nur ein Kriegs- und
Kolonialroman, sondern vor allem auch ein berührendes Familienporträt und
Zeugnis einer vergessenen Kultur.
Valérie
Zenatti, deren Familie aus Algerien stammt, wurde 1970 in Nizza geboren. Heute
lebt sie als Schriftstellerin und Übersetzerin (u.a. von Aharon Appelfeld und
Zeruya Shalev) in Paris. Ihre Bücher sind in zahlreiche Sprachen übersetzt,
zwei wurden verfilmt. Für Jacob, Jacob wurde sie mit dem Prix
Méditerranée und dem Prix du Livre Inter des gleichnamigen französischen
Radiosenders ausgezeichnet.
Jacob, Jacob von Valérie Zenatti ist bei Schöffling
erschienen.
(JK 08/17)
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