Rolf-Liebermann-Studio
Mittwoch 25.10.2017 19.30 Uhr
Oberstr. 120, Hamburg
Eintritt: 10 / 14 Euro
Die renommiertesten Literaturpreise in den USA sind
der Pulitzer Preis und der National Book Award. Mit beiden wurde Underground
Railroad von Colson Whitehead ausgezeichnet. Der Roman ist auch in Deutschland
seit Wochen ein Bestseller. Colson Whitehead liest aus seinem Bestseller Underground
Railroad, der bei Hanser erschienen ist. Helene Grass liest die deutschen
Texte, Jan Ehlert moderiert.
Colson Whitehead erzählt
von einem Riss, der sich über viele Jahrzehnte quer durch die amerikanische
Gesellschaft zog und bis heute immer wieder aufbricht. Im Mittelpunkt steht
Cora, Sklavin auf einer Baumwollplantage in Georgia. Und ein Netzwerk für
geflohene Sklaven, die „Underground Railroad“.
Es ist ein unscharfes
Schwarz-Weiß-Bild, das einen Schwarzen zeigt, den man an einem Baum aufgeknüpft
hat. Zwei der Männer, die sich für das Foto in Szene gesetzt haben, halten ihre
Beute an den Hosenbeinen fest, so als könnte sie vielleicht doch noch
weglaufen. „Idyll aus Oklahoma“ lautet die Bildunterschrift. Das Foto ist in
„Amerika. Heute und Morgen“, einem 1912 erschienenen Buch mit
„Reiseerlebnissen“ von Arthur Holitscher abgebildet. Gewaltakte gegenüber
Schwarzen, die an diese Szenen von Lynchjustiz erinnern, gibt es in den USA bis
heute. Colson Whitehead beschreibt sie in seinem Mitte des 19. Jahrhunderts
spielenden Roman in einem Ort in North Carolina, wo es zum wöchentlichen
Spektakel für die Einwohner gehört, geflohene Sklaven zu hängen. Doch da sind
wir schon mitten in der Geschichte von Cora, die von einer Plantage in Georgia
in die Freiheit flieht. Ihre Großmutter ist aus Afrika deportiert worden und
auf der Plantage der Randalls gelandet, wo nur eines ihrer fünf Kinder
erwachsen wird: Mabel. Sie lässt ihre zehnjährige Tochter Cora auf der Plantage
zurück, um aus Verhältnissen zu fliehen, die von exzessiver Gewalt geprägt
sind.
Die USA sind damals ein
zerrissenes Land, in den Südstaaten lassen die Plantagenbesitzer ihre Baumwoll-
und Tabakfelder von Millionen Leibeigenen bestellen, im Norden gilt die
Sklaverei schon seit der Unabhängigkeitserklärung 1776 als rückständig, sie
wird nach und nach abgeschafft. Umso entschiedener sich die Nordstaaten jedoch
gegen die Sklaverei wenden, umso mehr kämpft der Süden für deren
Rechtmäßigkeit. 1850 wird ein Gesetz verabschiedet, das es erlaubt, entlaufene
„Negermädchen“ wie Cora auch im Norden wieder einzufangen und zurückzubringen.
Mit Ridgeway heftet sich ein ganz besonders blutrünstiger Sklavenfänger an ihre
Fersen. Er schwadroniert vom „erobern, aufbauen und zivilisieren“, vom
„zerstören, was zerstört werden muss“, von Unterwerfung als amerikanischem
Imperativ. Der Widerstand gegen diese Haltung bringt schließlich einen
Vorläufer der Bürgerrechtsbewegungen des 20. Jahrhunderts in den USA hervor.
Unter dem Schlagwort
„Underground Railroad“ gab es bis zum amerikanischen Bürgerkrieg ein
umfassendes Fluchthilfenetzwerk, das Sklaven auf ihrem Weg in den Norden half.
Bei Colson Whitehead wird es zu einer modernen Untergrundbahn überhöht, ein
Netzwerk aus Tunneln, das unterirdische Bahnstationen verbindet, in denen die
Geflohen im Süden zu und im sicheren Norden wieder aussteigen können. Die
Eisenbahn-Phantasie ist eine der Allegorien, die Whitehead seinem Roman
eingeflochten hat, um eine Geschichte für die Gegenwart fassbar zu machen,
deren Grausamkeit nur durch eine Tugend auszuhalten ist: Hoffnung. Das ist es,
was Cora auf ihrem Weg in die Freiheit vorantreibt.
Colson
Whitehead wurde 1969 in New York geboren. Er studierte an der Harvard University und arbeitete für die New York
Times, Harper's und Granta.
Underground Railroad von Colson Whitehead ist bei Hanser
erschienen.
Eine Veranstaltung des
Literaturhaus Hamburg.
(JK 10/17)
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