Robert Menasse liest im Literaturhaus am Donnerstag, 26. Oktober

Literaturhaus Hamburg
Donnerstag  26.10.2017 19.30 Uhr 
Schwanenwik 38, Hamburg
Eintritt: 12 Euro

Ein Schwein flitzt durch die Straßen, es bringt Menschen zu Fall, stürzt sich todesmutig in den Verkehr, und endlich geht mal was ab, endlich geschieht das Unbegreifliche. Oder macht man das in Brüssel so, werden dort Schweine durch die Straßen gejagt wie anderswo Stiere? Vielleicht gibt es ja eine Erklärung, fragt der Erzähler von Robert Menasses Roman Die Hauptstadt, der bei Suhrkamp erschienen ist. Aber nein, es ist nur der skurrile Prolog, der das Thema und die Figuren dieses Romans einführt. Und die drängendste Frage gleich darauf lautet: „Wer hat den Senf erfunden?“ Robert Menasse liest im Literaturhaus aus seinem Roman Die Hauptstadt. Adam Soboczynski moderiert den Abend.

Auf die Brüsseler Bürokratie zu schimpfen, ist einfach und eine überall in Europa gern praktizierte Stammtisch-Disziplin. Der österreichische Schriftsteller Robert Menasse steht nicht im Verdacht, sich mit EU-Bashing aufzuhalten, er hat sich in den letzten Jahren immer wieder als fundierter Kritiker in Essays über die EU geäußert, er ist Anhänger einer nachnationalen Europäischen Union und hat im Frühjahr in Straßburg im Europäischen Parlament die Festrede zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge gehalten. Für seinen Roman hat er sich zudem mehrere Jahre in die Höhle des Löwen begeben und ist nach Brüssel gezogen. Mit viel Wiener Schmäh lädt er in Die Hauptstadt nun zu einer witzigen Besichtigung des europäischen Hotspots ein, in dem die Fäden zusammenlaufen – und ein Schwein durch die Straßen. Ins Zentrum des Geschehens drängen die griechische EU-Kommissarin für Kultur, Fenia Xenopoulou, die vor allem für ihre Karriere brennt, aber vorher das Image der Kommission mit einem großen Projekt zur Feier des fünfzigjähren Bestehens der EU-Kommission aufpolieren soll. Der deutsche Referent Martin Susman entwickelt eine „vollkommen naheliegende“ Idee. David de Vriend dämmert in einem Altenheim gegenüber dem Brüsseler Friedhof seinem Tod entgegen. Als Kind ist er von einem Deportationszug gesprungen, der seine Eltern in den Tod führte. Nun soll er bezeugen, was er im Begriff ist zu vergessen. Mit einer schwierigen Aufgabe sieht sich auch Kommissar Brunfaut konfrontiert, er muss einen Mordfall aus politischen Gründen auf sich beruhen lassen. In einem weiteren Handlungsstrang geht es um die absurden Kräfte, die auf dem europäischen Fleischmarkt wirken. Und was macht Brüssel? Natürlich, es sucht einen Namen – für das Schwein, das durch die Straßen läuft. Und David de Vriend bekommt ein Begräbnis, das stillschweigend zum Begräbnis einer ganzen Epoche wird: der Epoche der Scham.

Robert Menasse wurde 1954 in Wien geboren und ist auch dort aufgewachsen. Er studierte Germanistik, Philosophie sowie Politikwissenschaft in Wien, Salzburg und Messina und promovierte im Jahr 1980 mit einer Arbeit über den Typus des Außenseiters im Literaturbetrieb. Menasse lehrte anschließend sechs Jahre – zunächst als Lektor für österreichische Literatur, dann als Gastdozent am Institut für Literaturtheorie – an der Universität São Paulo. Dort hielt er vor allem Lehrveranstaltungen über philosophische und ästhetische Theorien ab, u.a. über: Hegel, Lukács, Benjamin und Adorno. Seit seiner Rückkehr aus Brasilien 1988 lebt Robert Menasse als Literat und kulturkritischer Essayist hauptsächlich in Wien.

Die Hauptstadt von Robert Menasse ist bei Suhrkamp erschienen.
(JK 10/17)

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