Der falsche Überlebende ist eine spannende Geschichte über Lüge und Leben,
Fiktion und Wahrheit von Javier
Cercas, einem der bedeutendsten
Schriftsteller Spaniens.
Medienwirksam hat sich
der Katalane Enric Marco 30 Jahre lang als Überlebender des deutschen
Konzentrationslagers Flossenbürg ausgegeben, hat sein Leiden öffentlich
erzählt, war Präsident der Vereinigung der ehemaligen spanischen KZ-Häftlinge.
Doch 2005 kam es zum Skandal, als ein Historiker aufdeckte, dass seine
Geschichte eine Lüge war. Wenige Tage zuvor noch hatte Marco im spanischen
Parlament eine bewegende Rede zum bevorstehenden 60. Jahrestag der Befreiung
des KZ Mauthausen gehalten. Tatsächlich aber war er 1941 freiwillig nach
Deutschland gegangen, im Rahmen einer Vereinbarung zwischen Spanien und
Hitler-Deutschland, um in einer Kieler Werft zu arbeiten und so dem spanischen
Kriegsdienst zu entgehen. In einem KZ war er nie gewesen. Was trieb Marco dazu,
dieses Lügengebäude zu erschaffen, an dem er selbst nach seiner Entlarvung
festhielt? Zögerlich und doch fasziniert bewegt Javier Cercas einen Stein nach
dem anderen und guckt hinter die Fassaden: auch hinter seine eigene und die
seines Landes.
Javier Cercas denkt ausführlich
nach über die Lüge und die Gesellschaft, in der der Lügner lebt. Er stellt die
Frage, ob wir Menschen grundsätzlich als größer und wichtiger erscheinen wollen
und uns hin und wieder eine Lüge in unserer Biografie zulegen? Er hält unserer
Welt einen Spiegel hin, in der „Fake News“ in Windeseile verbreitet werden und
die Menschen sich nicht um den tatsächlichen Wahrheitsgehalt scheren wollen,
solange sie dem entsprechen, was man hören will. Der schöne Schein zählt mehr
als das tatsächliche Sein. Javier Cercas führt den Leser so weit, dass man sich
sogar fragt, welcher Schaden denn tatsächlich anderen entstanden ist, weil
Enric Marco doch genau das bediente, was alle hören wollten und ihm dafür
Aufmerksamkeit schenkten. Genau hier schafft er es, den Leser aufzuschrecken
und das Grundsätzliche an der Lüge an sich ins Bewusstsein zu holen.
Javier Cercas, geboren
1962 in Ibahernando in der spanischen Extremadura, lebt als Schriftsteller,
Publizist und Universitätsdozent in Girona. Mit seinem Roman Soldaten von
Salamis wurde er international bekannt. Heute ist sein Werk in mehr als 30
Sprachen übersetzt. Für Der falsche Überlebende, erhielt er u.a. den
Prix du livre européen 2016 und den chinesischen Taofen-Preis 2015 für das
beste ausländische Buch.
Der falsche Überlebende von Javier Cercas ist bei S. Fischer
erschienen.
(JK 08/17)
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