Jean Rhys: Die weite Saragassosee (dtv)

Jamaika, Anfang des 19. Jahrhunderts: In einem alten Herrenhaus wächst Antoinette Cosway in einer Zwischenwelt heran. Auf der einen Seite die schwarzen Dienstboten, ihre Lieder und Rituale, auf der anderen Seite die weißen Plantagenbesitzer. Es ist eine Zeit des Umbruchs, die Sklaverei wurde gerade abgeschafft, die schwarze Bevölkerung begehrt erstmals gegen die ehemaligen Herren auf. Antoinette heiratet einen jungen Engländer, den Mr Rochester aus Charlotte Brontës Klassiker Jane Eyre, doch die Beziehung wird durch Gerüchte über den Wahnsinn in ihrer Familie, durch seine hohen Ansprüche und ihre innere Zerrissenheit überschattet. Schließlich zwingt ihr Mann sie, die Insel zu verlassen und mit ihm nach England zu gehen. Dort lebt Antoinette als Gefangene in seinem großen Herrenhaus und verliert zunehmend den Verstand. Sie wird zu der verrückten Frau auf dem Dachboden. Bis zum Erscheinen von Jean Rhys’ Roman im Jahr 1966 kannte man Mr. Rochesters Frau nur als die Verrückte auf dem Dachboden in Charlotte Brontës Roman Jane Eyre – in der brillanten Neuübersetzung von Brigitte Walitzek kann nun die tragische Lebensgeschichte der karibischen Schönheit wiederentdeckt werden.  Jean Rhys' Die weite Saragassosee ist eine außergewöhnliche Studie über Leidenschaft und Eifersucht und ein Meisterwerk der modernen Literatur.

Dass Jean Rhys Figuren und Handlungsströme aus dem Roman Jane Eyre von Charlotte Brontë aufnimmt und zu einer unabhängigen Geschichte verdichtet, ist nach wie vor ein genialer Schachzug. Schön, dass der dtv dieses Werk in einer neuen Übersetzung auflegt. Jean Rhys gelingt meisterhaft mit ihrem Roman eine Beschreibung der Verhältnisse und speziell der Natur der Karibikinsel Jamaika. Beeindruckend und dicht sind die beschriebenen Abendstimmungen, wenn die beiden Eheleute auf der Veranda sitzen, das Haus von Kerzen erleuchtet, Düfte und Gerüche des Urwalds, die sich nach der Hitze des Tages nach Sonnenuntergang entfalten und jetzt mit der kühleren Abendluft durchs Haus wehen, dass man meint, selbst dort zu sitzen und die von den letzten Sonnenstrahlen in violettes Licht getauchten Wolkenberge zu sehen.

Jean Rhys (eigentlich Ella Gwendolen Rees Williams) wurde 1890 als Tochter eines walisischen Vaters und einer kreolischen Mutter auf der Karibikinsel Dominica geboren. Mit 16 Jahren kam sie nach England. Ihr erstes Buch erschien 1927, danach folgten vier Romane. In den 1940er Jahren verschwand sie aus der Öffentlichkeit. Erst 1966 erschien ihr berühmtestes Werk Die weite Sargassosee, das ihren literarischen Ruf als eine der wichtigsten englischsprachigen Autorinnen begründete. Sie starb 1979 in England.

Die weite Saragassosee  von Jean Rhys ist bei dtv erschienen. 
(JK 0817)

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