Rudyard Kipling: Kim (dtv)

Der Waisenjunge Kim lebt als Straßenjunge in den Slums von Lahore und führt im Indien der 1890er Jahre ein Vagabundenleben. Nachts erledigt er Botengänge auf den übervölkerten Dächern der Stadt; er ist frei, aber allein. Ohne Hinweise zu seiner eigenen Herkunft beschließt er, einen buddhistischen Lama auf dessen lebenslanger Suche zu begleiten. Auf der Grand Trunk Road, wo Ost und West, soziale und religiöse Gegensätze aufeinanderprallen, stößt er auf disputierende anglikanische und katholische Geistliche, er trifft einen durchtriebenen Pferdehändler und eine reiche Witwe und kommt mit britischen Agenten in Kontakt. Doch dann soll Kim, „Freund aller Welt“, selbst als Spion eingesetzt werden.

Wie es Kipling in seinem Roman Kim gelungen ist, das indische Leben darzustellen, ist ziemlich einzigartig. Er begreift in seiner Schilderung die fundamentale Einheit Indiens in seiner Vielfalt. Auch wenn es keine kritische Distanz zur britischen Kolonialherrschaft gibt, so zeigt er vorurteilsfrei ein facettenreiches Land. Obwohl Kipling später keinen Hehl aus seiner Verachtung gegenüber der Kolonialherrschaft machte, so ist er in diesem Buch noch unentschieden zwischen seiner emotionalen Bindung an Indien und der Loyalität dem Empire gegenüber. Disziplin und Pflichterfüllung des britischen Empires stehen der Freiheit und dem Frohsinn Indiens gegenüber. Kim ist ein wundervoller Roman, eine bunte, humorvolle Reiseerzählung, ein mitreißender Abenteuerroman über einen schlitzohrigen Straßenjungen, ein philosophisches Werk und gleichzeitig eine spannende Spionagegeschichte mit dem magisch-mystischen Hauch des echten Indiens. Andreas Nohl hat Kiplings Roman vom Erwachsenwerden neu übersetzt und ihm damit auch hierzulande einen herausragenden Platz im Literaturkanon zugewiesen.

Rudyard Kipling wurde 1865 in Bombay geboren und starb 1936 in London. Populär wurde er durch seine Romane Das Dschungelbuch und Kim. Außerdem schrieb er Gedichte und eine Vielzahl von Kurzgeschichten. Kipling gilt als wesentlicher Vertreter der Kurzgeschichte und als hervorragender Erzähler. Seine Kinderbücher gehören zu den Klassikern des Genres.1907 erhielt er, noch keine 42 Jahre alt, als erster englischsprachiger Schriftsteller den Literaturnobelpreis; den Rekord als jüngster Literaturnobelpreisträger hält er bis heute. Verschiedene andere Ehrungen wie die Erhebung zum Poet Laureate und in den Adelsstand lehnte er ab.

Kim  von Rudyard Kipling ist bei dtv erschienen. 
(JK 08/17)

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