Christoph Hein: Verwirrnis (Suhrkamp)

Friedeward liebt Wolfgang. Und Wolfgang liebt Friedeward. Sie sind jung, genießen die Sommerferien, fahren mit dem Fahrrad die weite Strecke ans Meer, und reden stundenlang über Gott und die Welt. Sie sind glücklich, wenn sie zusammen sind, und das scheint ihnen alles zu sein, was sie brauchen. Doch keiner darf wissen, dass sie mehr sind als beste Freunde. Es sind die 1950er-Jahre, sie leben im katholischen Heiligenstadt, und für die Menschen um sie herum, besonders für Friedewards strenggläubigen Vater, ist ihre Liebe eine Sünde. Käme ihre Beziehung ans Licht, könnten sie alles verlieren. Als sie zum Studium nach Leipzig gehen – Friedeward studiert Germanistik, Wolfgang Musik – finden sie dort eine Welt gefeierter Intellektueller, alles flirrt geradezu vor lebendigem Geist. Und sie lernen Jacqueline kennen, die ihnen gesteht, dass sie eine heimliche Beziehung zu einer Dozentin hat. Zu viert besuchen sie die legendären Vorlesungen im Hörsaal vierzig, gehen ins Theater, tauchen gemeinsam ein ins geistige Leben der Stadt. Und da reift in den drei Freunden der Plan: Wäre es nicht die perfekte ‚Tarnung‘, wenn einer von ihnen Jacqueline zum Schein heiraten würde?

Heins Roman lässt einen zwiespältig zurück. Sprachlich wieder wie gewohnt auf höchstem Niveau, in der Geschichte selbst beschleicht einen die Vermutung, dass der Autor sich nicht wirklich in seine Protagonisten hineinversetzen kann oder zumindest eine große emotionale Distanz besitzt. So richtet sich dieser Roman wahrscheinlich an ein heterosexuelles Publikum, das an diese komplexe Thematik behutsam herangeführt werden will. Es ist daher Heins Verdienst, sich dieser Thematik anzunehmen in Zeiten, in denen man sicher geglaubte Selbstverständlichkeiten von Ewiggestrigen wieder in Frage gestellt und sogar massiv angefeindet werden.

Christoph Hein wurde am 8. April 1944 in Heinzendorf/Schlesien geboren. Nach Kriegsende zog die Familie nach Bad Düben bei Leipzig, wo Hein aufwuchs. Ab 1967 studierte er an der Universität Leipzig Philosophie und Logik und schloss sein Studium 1971 an der Humboldt Universität Berlin ab. Von 1974 bis 1979 arbeitete Hein als Hausautor an der Volksbühne Berlin. Der Durchbruch gelang ihm 1982/83 mit seiner Novelle Der fremde Freund / Drachenblut. Hein wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Uwe-Johnson-Preis und Stefan-Heym-Preis.

Verwirrnis von Christoph Hein ist bei Suhrkamp erschienen.
(JK 12/18)

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