Im Jahr 1919 gleicht
Italien einem politischen Trümmerfeld. Der Erste Weltkrieg hat die italienische
Regierung massiv geschwächt, sozialistische wie rechtsnationale Gruppen erleben
einen noch nie dagewesenen Aufstieg und stellen politische Institutionen
radikal in Frage, während frustrierte Kriegsheimkehrer durch die Straßen des
Landes ziehen. Getrieben von ihrem Unmut lassen sich die ehemaligen Kämpfer
bald von einem Mann einen, der sie zu gemeinsamen Aktionen gegen die politische
Linke aufruft: Benito Mussolini, Gründer des Il Popolo d’Italia und ehemaliger
Chef des linksextremen Flügels der sozialistischen Partei Italiens. Dem
Fünfunddreißigjährigen gelingt es, sich in Zeiten politischer Unsicherheit
Gehör zu verschaffen und unterschiedlichste Gruppierungen unter einem
gemeinsamen Banner zu versammeln. Bis zum berühmten Marsch auf Rom 1922 und
darüber hinaus wird Mussolini seine Macht in Italien rasant ausbauen und den
Faschismus als Staatsideologie unwiderruflich festschreiben.
Dieses Buch ist wichtig
in unserer heutigen Zeit, in der die Ideen des Faschismus vom ersten Drittel
des vergangenen Jahrhunderts wieder Auferstehung feiern, die Monstrosität
dieser Bewegung verharmlost und relativiert wird und als vermeintlich freie
Meinungsäusserung in die öffentliche Meinung einsickert. Es ist erschreckend
diese Entwicklung im Roman zu folgen. Hierbei ist es sicherlich
diskussionswürdig, dass Scuratis Kniff die Geschichtsschreibung aus der Sicht
des Täters befördert. Scurati versucht, in die Geschichte viel hineinzupacken,
viele Personen mit Nebenschauplätzen. Das macht das Bild zwar umfangreicher,
aber lässt bisweilen nicht genügend Tiefe. So bekommt man eine umfassende
Geschichtslektion, die dann bisweilen den Roman in den Hintergrund drängt. Das
macht das Buch allerdings nicht weniger lesenswert.
Antonio Scurati, 1969 in
Neapel geboren, lehrt an der Universität Mailand und koordiniert dort das
Forschungszentrum für Kriegs- und Gewaltsprachen. Seine Romane sind in viele
Sprachen übersetzt und wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem
mit dem Premio Mondello und dem Premio Campiello. Sein jüngster Roman M. Der
Sohn des Jahrhunderts steht seit Erscheinen im Herbst 2018 auf der
italienischen Bestsellerliste und wurde von der internationalen Presse gefeiert
und erhielt den wichtigsten Literaturpreis Italiens, den Premio Strega.
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