Manil Suri: Shiva (Luchterhand)

Manil Suris erster Roman Vishnus Tod wurde von der Presse als Liebeserklärung an Indien, seine Menschen und Götter enthusiastisch gefeiert. Sein zweiter Roman Shiva, der bei Luchterhand erschienen ist, erzählt von Meera, einer Frau, die alles für ihre Liebe gibt und deren stürmisches Leben den Weg Indiens von der Unabhängigkeit bis heute begleitet.

Mit 17 verliebt sich Meera unsterblich in Dev, den Gewinner eines Gesangswettbewerbs. Die Sehnsucht in seiner Stimme spricht direkt zu ihrem Herzen, und mit allem Überschwang und Trotz jugendlicher Leidenschaft setzt sie sich gegen ihre Familie durch und heiratet ihn. Sie sagt dem Wohlstand und dem liberalen Geist ihres Elternhauses Lebwohl und taucht in die strenggläubige, konservative Welt von Devs mittelloser Familie ein. Und sehr bald wird Meera klar, dass sie nicht im Märchen ihrer Träume gelandet ist: Frauen haben im gerade unabhängig gewordenen Indien nicht viel zu sagen. Als das junge Paar nach Bombay zieht, in die Stadt des Films und der Musik, in der Dev seine Sängerkarriere zu verwirklichen hofft, ist Meera zwar von den Anforderungen seiner Familie befreit, aber sie muss zusehen, wie die Selbstachtung ihres Mannes mit jeder Niederlage schwindet und er ihr immer mehr entgleitet. Erst als Meera einen Sohn bekommt, Ashvin, findet sie die ersehnte Erfüllung. Auf Ashvin richtet sie ihre ganze Liebe, er gibt ihr Glück – und manchmal muss sie dabei an eine alte Hindu-Legende denken: Weil Shiva, der Gott des Tanzes, der Zerstörung und der Askese, seine Frau Parvati so oft und so lang allein ließ, erschuf sie sich selbst einen Sohn, der sie mehr liebte als jeder zuvor…

Manil Suris Roman zeigt Indien zwischen Tradition und Moderne mit einem asketischen, romantischen Blick. Er zeichnet ein komplexes psychologisches Bild der Heldin, die sich als Mutter neu erfindet. Suris mikroskopischer Blick auf die Frau wird mit einem makroskopischen Blick auf die Entwicklung der indischen Gesellschaft konterkariert, wobei der Autor ganz klar nicht seinen Schwerpunkt in der Erklärung der indischen Gesellschaft sieht. Ihm geht es um die Entwicklung, die Veränderungen seiner Figuren. Manil Suri sagt selber, dass es die Aufgabe seiner indischen Schriftstellergeneration ist, die Schüchternheit zu verlieren, die Dinge beim Namen zu nennen. Ihm ist ein würdiger Nachfolger für seinen erfolgreichen Debütroman gelungen. Ein Buch, das sich zu lesen und genießen lohnt.

Manil Suri wurde 1959 in Bombay geboren. Mit zwanzig begann er in den USA Mathematik zu studieren. Manil Suri ist ordentlicher Professor für Mathematik und Statistik an der University of Maryland Baltimore County. Sein erster Roman Vishnus Tod wurde als literarische Sensation gefeiert, ist in 25 Ländern erschienen und wurde mit der Corine für das beste fremdsprachige Debüt ausgezeichnet. Seit 1990 hat Manil Suri die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Shiva von Manil Suri ist bei Luchterhand erschienen.
(JK 11/09)

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