
Eduardo Belgrano Rawson zählt zu den bedeutendsten südamerikanischen Gegenwartsautoren. Sein neuer bei Beck erschienene Roman Die Predigt von La Victoria ist wieder ein beeindruckender Roman.
In seinem neuen Roman erzählt der Argentinier Eduardo Belgrano Rawson eine wahre Geschichte, die einerseits alltäglich, andererseits in ihren Folgen ungeheuerlich ist: Claudia und Nelson, Schüler in dem Provinzstädtchen San Luis, sind ein Liebespaar, dann verschwindet Claudia eines Tages spurlos. Ein anonymer Zeuge behauptet, Nelson habe das Mädchen umgebracht. Der Junge wird verhaftet, gefoltert, gesteht, kommt ins Gefängnis, ist nach Jahren zerrüttet und krank. Da, neun Jahre später, wird Claudia von ihrer Mutter gefunden, sie war einfach nur mit einem Lastwagenfahrer abgehauen, ist längst verheiratet und hat Kinder. Nelson wird freigelassen, Claudia bittet um Verzeihung. Aber wie kann man nun damit leben? Was soll man tun? Und wie war das alles überhaupt möglich?
Wie in seinem großen Kuba-Roman Rosas Stimme erzählt Belgrano Rawson vielstimmig und panoramatisch. Nicht der Plot steht im Mittelpunkt des spannenden, bewegenden und sogar komischen Romans sondern die Frage nach dem Warum, nach den Beweggründen und Abgründen der Beteiligten. Die Richter, die Luis aufgrund eines unter Folter erpressten Geständnisses verurteilten, sind die gleichen, die schon der berüchtigten argentinischen Militärdiktatur dienten. Und so zeichnet Belgrano Rawson in diesem dichten Roman mit den Porträts der Täter und der Beschreibung der Mechanismen von Polizei und Staatsgewalt ein tief gehendes Bild der argentinischen Gesellschaft und liefert zugleich einen berührenden und melancholischen Heimatroman.
Belgrano Rawson wirft vorab ein, dass der Roman auf einer wahren Geschichte berührt. Er schafft, die Klammer von der unseligen Zeit der Militärdiktatur mit der Zeit der Demokratie zu setzen und zeigt schonungslos, dass sich die Mittel zum Zweck nicht groß geändert haben. Im Stile einer Montage setzt er die Geschehnisse in Bezug. Hierbei spürt der Leser hautnah, wie verworren und nahezu chaotisch die Situation in Argentinien ineinander verwoben ist.
Eduardo Belgrano Rawson, geboren 1943 in einem kleinen Dorf in Argentinien, ist Schriftsteller und Journalist. Neben anderen Literaturpreisen erhielt er 1979 den Preis des Club de los XIII für das 2001 auf Deutsch erschienene Schiffbruch der Sterne.
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