Martín Caparrós: Wir haben uns geirrt (Berlin Verlag)

Im Berlin Verlag ist ein kontroverses Buch aus Argentinien erschienen. Der Autor Martín Caparrós beschreibt in seinem Buch Wir haben uns geirrt das Scheitern der Generation, die in den Sechziger und Siebziger Jahren glaubte, mit Hilfe einer Revolution Argentinien in eine bessere Zukunft zu führen.

Martín Caparrós hat einen provokanten Roman über ein längst nicht aufgearbeitetes Kapitel argentinischer Geschichte geschrieben. Der Erzähler Carlos – gebrochen, zweifelnd, mal ätzend scharf, mal melancholisch im Ton – ist ein faszinierender, vielschichtiger Antiheld. Seine Geschichte ist die einer (nicht nur argentinischen) Generation, die daran glaubte, die Welt zu verändern, am Anfang eines gerechten Zeitalters zu stehen, und kläglich gescheitert ist. Carlos’ Kampf fand 1977 jäh ein Ende, als seine Frau verhaftet wurde. Ihr Schicksal ist seitdem ungeklärt. Resigniert sieht er zurück, zweifelt an den alten Idealen. Richtet er seinen Blick auf das heutige Argentinien, packt ihn ohnmächtige Wut. Die Frage nach dem Sinn politischer Militanz und Utopien, nach Aussöhnung oder Vergeltung lassen ihn nicht los. Er trifft sich mit den Tätern von damals – vermeintliche Sieger, die dennoch nicht unbeschadet aus dem Krieg hervorgegangen sind. Dann stößt er auf die Geschichte eines Pfarrers, der den Folterern all abendlich den Segen erteilte...

In dieser mutigen Auseinandersetzung mit Argentinien wirft der Autor eine Menge Fragen auf, wie sich die Gesellschaft in einer Umklammerung von Schuld- und Rachegefühlen gefangen hält. Caparrós stand selber in den 70er Jahren auf einer Seite. Umso mehr erscheint dieses Buch in seiner Distanz zu den Ereignissen mit beklemmender Authentizität. So gerät dieses Buch zu einer Abrechnung mit den Idealen dieser Generation und eine bittere Abrechnung mit den vergangenen 35 Jahren argentinischer Geschichte. Mit der Frage nach Sinn und Unsinn von Rache wirft Caparrós ein neues Licht auf die Frage der Versöhnbarkeit der argentinischen Gesellschaft. So bleibt die Erkenntnis, dass es sich nicht nur um eine verlorene sondern auch bis ins Mark korrumpierte Generation.

Martín Caparrós wurde 1957 in Buenos Aires geboren. Er ging 1976 ins Exil, studierte in Paris an der Sorbonne Geschichte, lebte in Madrid und New York. Er leitete Literaturzeitungen, übersetzte Voltaire, Shakespeare und Quevedo, erhielt 1992 den Premio Rey de España, 1994 ein Guggenheim-Stipendium und 2004 den Premio Planeta Latinoamérica für seinen Roman Valfierno. Er war in der Jury des Premio Cervantes und schrieb mehrere Bücher. Heute lebt er als Schriftsteller und Journalist in Buenos Aires und zählt zu den führenden Intellektuellen seines Landes.

Wir haben uns geirrt von Martín Caparrós ist im Berlin Verlag erschienen.
(JK 10/10)

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