
Der neue Roman des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers António Lobo Antunes Mein Name ist Legion, erschienen bei Luchterhand, spielt in einem Elendsviertel am Rande von Lissabon, wo die unbeliebten afrikanischen Einwanderer aus den ehemaligen Kolonien auflaufen.
In einem Elendsviertel von Lissabon treffen sie aufeinander: eine Jugendgang, die hauptsächlich aus Schwarzen, Farbigen und Osteuropäern besteht, die Polizei, die der kriminellen Jugendlichen nicht mehr Herr wird, die Bewohner des Slums. In seinem neuen Roman fängt Lobo Antunes die sozialen Verwerfungen einer globalisierten Moderne ein und verleiht den Menschen am Rande der Gesellschaft starke, unverwechselbare Stimmen.
Kurz vor der Pensionierung verfasst ein Polizist einen Bericht über die kriminellen Taten einer Jugendgang, die in einem heruntergekommenen Viertel am Rande von Lissabon ihr Unwesen treibt. Zugleich erinnert er sich an seine Kindheit in der Provinz, seine gescheiterte Ehe, seine entfernt lebende Tochter. Allmählich mischen sich andere Stimmen ein, verschiedene Bewohner des Elendsviertels, die unter den polizeilichen Maßnahmen mindestens ebenso leiden wie unter den Jugendlichen, die Tankstellen und Supermärkte brutal überfallen und mit Drogen handeln. Und auch die Mitglieder der Gang selbst kommen zu Wort. Hautnah erleben wir die Wut und die Verzweiflung von Menschen, die im Schatten der Welt existieren, deren Leben von den Konflikten zwischen Mann und Frau, Reich und Arm, Schwarz und Weiß bestimmt ist und die sich dennoch zu behaupten versuchen. Wie unter einem Brennglas fängt Lobo Antunes in seinem neuesten Roman die sozialen Probleme der Moderne ein, zeigt, was Migration, Entfremdung und der Zusammenprall verschiedener Kulturen für den Einzelnen bedeuten und findet eindringliche, poetische Stimmen für die Zukurzgekommenen, die überall durch das Raster fallen, nicht nur in Portugal.
Der Buchtitel Mein Name ist Legion ist so gewählt, weil Lobo Antunes seinen Helden im Buch keine individuellen Namen verleiht. Das Problem der fehlenden Integration hat mittlerweile ein solches Ausmaß angenommen, dass derer zu viele geworden sind. Es ist die quälende Chancenlosigkeit der afrikanischen Migranten, die diesem Roman unterliegt. Nagende Stereotypen sind Ausdruck dieser hoffnungslosen Lage, man bewegt sich in einem wandelnden Albtraum.
António Lobo Antunes Roman ist nicht einfach zu lesen. Als Leser muss man sich vor allem auf den ungewöhnlichen Stil und seine Sprachmelodie einlassen. Diese Hürde ist eigentlich schade, da dieser wertvolle Roman somit viel weniger Menschen erreichen wird, als er es verdient hätte.
António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren. Er studierte Medizin, war während des Kolonialkrieges 27 Monate lang Militärarzt in Angola und arbeitete danach als Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Heute lebt er als Schriftsteller in seiner Heimatstadt. Lobo Antunes zählt zu den wichtigsten Autoren der europäischen Gegenwartsliteratur. In seinem Werk, das mittlerweile zwanzig Titel umfasst und in über dreißig Sprachen übersetzt worden ist, setzt er sich intensiv und kritisch mit der portugiesischen Gesellschaft auseinander. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den „Großen Romanpreis des Portugiesischen Schriftstellerverbandes“, den „Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur“, den „Jerusalem-Preis für die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft“ und zuletzt 2007 den Camões-Preis.
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