Brasilien
– Ehrengast 2013 der Frankfurter Buchmesse
Ein brutaler Familienpatriarch, der mit Axthieben
und Brandrodung das Land urbar macht und seine junge Frau »an die Nabelschnur
endloser Schwangerschaft« fesselt. Eine unter Schmerzen sterbende Frau. Ein
Sohn, der in einem Dialog mit seiner Mutter die Vergangenheit Revue passieren
lässt. Ein Mann, der sich eines Verbrechens schuldig fühlt, das er vielleicht
gar nicht begangen hat. Ein verschwundener Ehemann. Ein Lehrer, der ein
schreckliches Geheimnis hütet. Schonungslos beschreibt Luiz Ruffato die Härte,
die Entbehrungen und die Grausamkeit des Landlebens, das die Welt italienischer
Einwandererfamilien im Hinterland der Berge von Minas Gerais in der ersten
Hälfte des letzten Jahrhunderts prägt.
Es ist diese Enge und Bedrängtheit des Lebens, der
die heranwachsenden Jugendlichen zu entfliehen suchen. Sie machen sich auf in
ein vermeintlich besseres Leben, in die nächste Kleinstadt, dann nach Rio oder
São Paulo. Den erdverbundenen Werten der Alten, die in einem Tal hinter der
Staubstraße eine Heimat gefunden haben, steht die Faszination der Jungen für
die Lichter des Fortschritts gegenüber. Die Träume sind bescheiden, Worte
werden nur wenige gewechselt, die weite Welt reicht zunächst nur bis zur
nächstgrößeren Ansiedlung.
Das Buch bildet den Auftakt des Romanzyklus Vorläufige Hölle, mit dem Ruffato den
Armen, den einfachen Leuten, den Migranten eine Stimme verleiht. Er hebt sie
aus ihrer literarischen Vergessenheit und lässt so die Geschichte des
brasilianischen Proletariats wiederauferstehen. Innere Monologe wechseln mit
poetischen Passagen, mit Szenen von dramatischer Intensität. Unprätentiös, frei
von Sozialromantik und auf höchstem literarischen Niveau. Ruffatos Saga des
proletarischen Brasilien ist nüchtern, schmerzhaft und kompromisslos.
Der Hessische Rundfunk findet: „Brasilianische
Proletarier, Migranten, Farbige: Ihr Leben ist eine Hölle, die nicht enden
will. Ruffato berührt die offenen Wunden der brasilianischen Geschichte, den
Rassismus, die permanente Gewalt. Luiz Ruffato – ein moderner Dante.“
Luiz Ruffato wurde 1961 in Cataguases im brasilianischen
Bundesstaat Minais Gerais geboren und wuchs in einer armen Migrantenfamilie
auf. Er arbeitete u.a. als Verkäufer und Mechaniker und studierte Journalismus.
Im Jahr 1998 veröffentlichte er einen ersten Band mit Kurzgeschichten. Drei
Jahre später folgte der Roman Es waren
viele Pferde, der die brasilianische Literatur revolutionierte, von der
Kritik enthusiastisch aufgenommen und u.a. mit dem Prêmio Machado de Assis der
brasilianischen Nationalbibliothek ausgezeichnet wurde. Eine Jury von Literaturkritikern
der Zeitung Globo zeichnete das in mehrere Sprachen übersetzte Buch als einen
der zehn besten brasilianischen Romane der letzten Dekade aus. Zwischen 2005
und 2011 schrieb Luiz Ruffato den fünfbändigen Zyklus Inferno provisório, auf Deutsch
ab 2013 bei Assoziation A. Luiz Ruffato
lebt in São Paulo. Zusammen mit Ana Maria Machado ist er der literarische
Eröffnungsredner der Frankfurter Buchmesse 2013.
Mama, es geht mir gut von Luiz Ruffato ist bei Assoziation A erschienen.
(JK 10/13)
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