Brasilien
– Ehrengast 2013 der Frankfurter Buchmesse
Ganz in der Tradition lateinamerikanischer Literatur
steht dieser hochgerühmte Roman, dessen Übersetzung in den achtziger Jahren
erschien. Märchenhaft-phantastisch und mit großer Fabulierlust erzählt Scliar
die unglaubliche Geschichte von Guedali Tartakovsky. Als Zentaur geboren, ist
der Sohn russisch-jüdischer Einwanderer in Brasilien in doppelter Hinsicht
fremd. Der sensible, kluge Guedali sucht Trost in Büchern, bis ihn die
Abenteuerlust packt und er sich auf eine tollkühne Reise macht. Guedalis Vermutung,
dass ein gefährliches Leben gleichsam ein intensiveres ist, bewahrheitet sich
aufs schönste. Nach allerlei Eskapaden, darunter ein kurzfristiger Aufenthalt
beim Zirkus, wo man den Zentauren als Attraktion begrüßt, bis man bemerkt, dass
er echt ist, trifft Guedali tatsächlich auf ein weibliches Pendant. Tita wird
zu seiner Gemahlin, und alles könnte gut sein, wäre sie nicht von dem Wunsch
besessen, sich ihres Pferdeparts zu entledigen.
Tragikomisch beschreibt Scliar das Schicksal der
Außenseiter und nutzt die Sicht des Zentauren zur Verfremdung des Alltäglichen.
Auf vergnügliche Weise macht er dadurch die Erfahrungen all jener greifbar, die
der Norm nicht entsprechen. Ein überbordender Roman voller Phantasie,
Philosophie und Erotik. Eine großartige Wiederentdeckung.
Moacyr Scliar wurde 1937 als Sohn einer jüdischen
Familie in Porto Alegre, Brasilien, geboren. Er studierte Medizin und schloss
sein Studium 1962 in Israel ab. Im selben Jahr erschien sein erstes Buch. Neben
Romanen veröffentlichte er Erzählungen, Kinderbücher und Essays. Er wurde in
die brasilianische Akademie der Literatur gewählt und erhielt für seine Werke
zahlreiche Auszeichnungen, darunter mehrmals den brasilianischen Literaturpreis
Prêmio Jabuti de Literatura. Der Zentaur
im Garten erschien erstmals 1985 auf Deutsch. 2011 verstarb Moacyr Scliar.
Der Zentaur im Garten von Moacyr Scliar ist bei Hoffmann und Campe erschienen.
(JK 10/13)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen