Patrícia Melo: Leichendieb (Tropen)

Brasilien – Ehrengast 2013 der Frankfurter Buchmesse

Wie ich zum Verbrecher wurde. Alles beginnt mit einer Ohrfeige vom Chef. Als die Geschlagene sich jedoch deswegen umbringt, wirft der Vorstand einer Telefonmarketingfirma alles hin. Doch sein neues Leben reißt ihn in einen Strudel der Kriminalität im Drogensumpf Brasiliens. Der neue Roman von Patrícia Melo: schonungslos und abgebrüht.

Ein Päckchen Kokain liegt neben der Leiche eines jungen Mannes. Der Finder beschließt, es zu verkaufen, und verstrickt sich damit in eine Welt aus Betrug und Erpressung. Um zu überleben, muss er bald schon eine Menge Geld auftreiben. Mit einem perfiden Plan macht er sich an die schwerreichen Eltern der Leiche heran. Patrícia Melo bietet nicht nur ein bestechend genaues Porträt der Rauschgift-Mafia in Lateinamerika, sondern auch den Beweis, dass es manchmal nur eines winzigen Auslösers bedarf, um das Leben eines Menschen aus der Bahn zu werfen: In jedem steckt der Keim für das Böse.

„Irritierend“, „bösartig“, ja „ekelerregend“ findet Tobias Gohlis von der ZEIT den neuen Krimi von Patricia Melo, und meint das durchaus positiv. Die Handlung um einen so gewissen- wie charakterlosen Taugenichts, dem durch Zufall bzw. Unfall ein Drogenpaket in die Hände fällt, ist „trügerisch einfach“, Melos beträchtliche Raffinesse besteht darin, wie sie die Geschichte von ihrem widerwärtigen Protagonisten erzählen lässt.

Eine wahrhaft geschickte Konstruktion der Autorin, applaudiert die Tageszeitung, die sich beim Lesen allem Granit zum Trotz, auf den man hier immer wieder beißt, auch das Grinsen selten verkneifen konnte, spinnt sich hier doch ein wirkmächtiger „Faden erzählerischer Ironie“ durch das Geschehen, in dem es vor allem um die Macht der Rahmenbedingungen geht. Dabei geht natürlich jedes Maß verloren, so die Rezensentin, doch gereicht der Vorwurf glatt zum Jubel: Literatur ist das, nichts anderes!

Die Frankfurter Rundschau konstatiert, dass man wider besseres Wissen beständig hofft, der Held möge sich nur einmal integer verhalten und die Geschichte nicht konsequent Richtung Verderben steuern, verleiht dem Roman seine „erhebliche Spannung“.

Patrícia Melo geboren 1962 in São Paulo. Die Autorin und Dramaturgin schreibt Romane, Hörspiele und Drehbücher. Die Times kürte Patrícia Melo zur „führenden Schriftstellerin des Millenniums“ in Lateinamerika. Außerdem wurde ihr der Prix Deux Océans verliehen. Patrícia Melo erhält auf der Frankfurter Buchmesse den LiBeraturpreis 2013. Das Buch Leichendieb kam auf Platz 1 der litprom-Bestenliste WELTEMPFÄNGER. Patrícia Melo lebt in der Schweiz.

Leichendieb von Patrícia Melo ist bei Tropen erschienen.
(JK 10/13)

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