Im Diogenes Verlag werden
nach und nach die Romane des englischen Autors Evelyn Waugh neu aufgelegt.
Kürzlich erschien der Roman Verfall und
Untergang. Evelyn Waughs Debüt ist eine rasante Satire auf den
Bildungsroman und die englische High Society und ein Meisterwerk des schwarzen
Humors.
Was macht man, wenn man
erstens Opfer eines bösen Scherzes von Mitstudenten in Oxford wird, zweitens
infolgedessen ohne Hose über den Hof des Colleges rennt, drittens daraufhin
wegen anstößigen Benehmens rausgeschmissen wird und viertens kein Vermögen hat?
Der Roman ist die Geschichte des Studenten Paul Pennyfeather, der einmal zur
falschen Zeit am falschen Ort ist und in die Machenschaften der besseren
Gesellschaft verwickelt wird. Paul Pennyfeather tritt eine Lehrstelle in
Llanaba Castle an, einem Internat von zweifelhaftem Ruf in Wales. Seine Schüler
sind lauter verzogene Adelssprösslinge, seine Lehrerkollegen Zyniker, Säufer
oder bestenfalls Zweifler. Da taucht am Sporttag, inmitten einer Parfümwolke,
Margot Beste-Chetwynde auf, die bezaubernde Mutter eines von Pauls Schülern.
Eine Romanze entspinnt sich, doch wird die Society-Lady den Lehrer wider Willen
retten oder nur noch tiefer ins Verderben stürzen?
Vor 86 Jahren erschien
Waughs Debütroman, der es nur knapp zur Veröffentlichung schaffte und umso
überraschender ein Erfolg wurde. In seiner Schelmengeschichte
über den anständigen, etwas biederen und oft ausgenutzten Paul Pennyfeather stellt
Waugh bereits den Archetypus auf, den er für viele seiner
späteren Helden verwendet, z.B. Charles Ryder in Wiedersehen mit
Brideshead oder Guy
Crouchback in der Sword
of Honour-Trilogie, die auf Deutsch unter dem Titel Ohne Furcht und Tadel erschienen
ist. Und was auch für Waugh typisch ist, dass es nicht immer unbedingt seine
Protagonisten sind, die ihn ausschließlich interessieren sondern oftmals das
Spektrum der Nebencharaktere noch interessanter erscheint. Einer
der Gründe, warum das Buch heute vielleicht
nicht mehr so populär ist, könnte sein, dass die Darstellung der Welt der 1920er Jahre High Society dem modernen
Leser fremd ist und dass der Bogen
des Dialogs und der Autorenkommentare
es schwierig machen, sich mit den Figuren zu solidarisieren.
Waughs Besonderheit ist indes, dass er vor keiner Art von Demütigung für seine
Figuren zurückschreckte und sie genüsslich opferte, was im Endeffekt eine bis
dahin nicht gekannte harte und bissige Satire auf die Oberschicht darstellte.
Ein anderer Grund könnte sei, dass es bisher keine TV-Verfilmung gab, die sich
eigentlich für den Roman wirklich anbieten würde. Vielleicht werden wir da noch
überrascht.
Evelyn Waugh, geboren
1903 in Hampstead, brach sein Geschichtsstudium in Oxford ab, um sich zum Maler
ausbilden zu lassen. 1930 konvertierte er zum Katholizismus. Er war Lehrer,
Reporter und Kunsttischler, bis er in der Schriftstellerei sein Metier fand und
zu einem der wichtigsten englischen Autoren des 20. Jahrhunderts wurde. Im
Krieg diente Waugh als Offizier. Waugh, der seit seiner Studentenzeit seine
Neigung zu dandyhafter Extravaganz pflegte, liebte es, das Publikum durch
kontroverse Äußerungen zu provozieren. Er starb 1966 in Taunton (Somerset).
Verfall und Untergang von Evelyn Waugh ist bei Diogenes als
Taschenbuch erschienen.
(JK 07/14)
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