Stephen King, der Meister
des Schreckens, verschafft in seinem neuen Roman Mr. Mercedes, der bei Heyne erschienen ist, beunruhigende Einblicke
in den Geist eines besessenen Mörders bar jeglichen Gewissens.
Eine wirtschaftlich
geplagte Großstadt im Mittleren Westen der USA. In den frühen Morgenstunden
haben sich auf dem Parkplatz vor der Stadthalle Hunderte verzweifelte
Arbeitsuchende eingefunden. Jeder will der Erste sein, wenn die Jobbörse ihre
Tore öffnet. Im Morgendunst blendet ein Autofahrer auf. Ohne Vorwarnung pflügt ein
gestohlener Mercedes S 600 – „zwei Tonnen deutsche Ingenieurskunst“ –durch die
wartende Menge, setzt zurück und nimmt erneut Anlauf. Es gibt viele Todesopfer
und Verletzte, der Fahrer entkommt. Der Wagen wird später gefunden. Auf dem
Beifahrersitz liegt eine Clownsmaske, das Lenkrad ziert ein grinsender Smiley.
Noch Monate später quält den inzwischen pensionierten Detective Bill Hodges,
dass er den Fall des Mercedes-Killers nicht aufklären konnte. Auf einmal
bekommt er Post von jemand, der sich selbst der Tat bezichtigt. Der
Massenmörder kündigt ein noch diabolischeres Verbrechen an, es droht ein
Inferno mit Tausenden von Opfern. Hodges erwacht aus seiner Rentnerlethargie.
Im Verein mit ein paar merkwürdigen Verbündeten setzt er alles daran, den
geisteskranken Killer zu stoppen. Aber der ist seinen Verfolgern immer einen
Schritt voraus.
Stephen King weiß, dass
die alltäglichen Dämone, die sich hinter den Vordertüren von Kleinstadtstraßen verbergen,
genauso effektiv den tiefsten Schrecken in uns auslösen können wie ein Monster,
das durch die Kanalisation kriecht. Mr.
Mercedes ist ein guter klassischer Thriller, in dem gegen die ablaufende
Zeit agiert wird, mit allen Zutaten des Genres: ein eigenbrötlerischer Detective,
der außerhalb der Grenzen des Gesetzes agieren muss; der Killer auf einem
persönlichen Rachefeldzug mit einer abnormen Beziehung zu seiner Mutter; eine
Gruppe Außenseiter, die mithelfen, ihn zu stoppen, bevor er seinen mörderischen
Plan in die Tat umsetzen kann.
In dem Thriller geht es
nicht darum, herauszufinden, wer der Killer ist. Sehr schnell ist klar, dass es
sich bei dem Monster um einen gewissen Brady Hartfield handelt. King geht es darum,
Parallelen zu ähnlichen Vorfällen in amerikanischen Städten aufzuzeigen, wo junge
Männer plötzlich auf ihre Mitmenschen losgehen. Dieser psychologische Aspekt
geht jedoch ein wenig zu Lasten der Spannung und des Erzähltempos, das erst
gegen Ende richtig Fahrt aufnimmt. Mr. Mercedes ist fest in der Kleinstadtrealität
verwurzelt, für die Stephen King häufig gefeiert wird und oft im Thriller-Genre
übersehen wird. Vielleicht ist der abschreckende Aspekt an diesem Buch, dass
man sich klar macht, wie viele potenzielle Brady Hartfields im rezessionsgebeutelten
Amerika lauern und der Gesellschaft die Schuld geben, für das, was aus ihnen geworden
ist. Das ist die wahre Furcht, die King in die Köpfe seiner Leser pflanzt, dass
man sich nicht mehr unbeschwert in der Öffentlichkeit in einer Menge aufhalten
mag.
Stephen King wurde am 21. September 1947 in
Portland/Maine, USA geboren. Er zählt zu den erfolgreichsten Autoren des späten
20. Jahrhunderts. Insgesamt hat der vielfach ausgezeichnete Bestsellerautor
über 40 Romane, über 100 Kurzgeschichten, Novellen, Drehbücher, Gedichte,
Essays, Kolumnen und Sachbücher veröffentlicht. Sein erster
Romanerfolg Carrie erlaubte ihm, sich
nur noch dem Schreiben zu widmen. Seitdem hat er weltweit 400 Millionen Bücher
in mehr als 40 Sprachen verkauft. Im November 2003 erhielt er den Sonderpreis
der National Book Foundation für sein Lebenswerk. Im
Mittelpunkt von Stephen Kings Gesamtwerk steht der 2004 beendete, siebenbändige
Fantasy-Zyklus Der Dunkle Turm um den
Revolvermann („Gunslinger“) Roland. King selbst bezeichnet den Dunklen Turm – eine Fusion aus
verschiedensten Zeiten, Orten und Geschichten – als sein wichtigstes Werk. Mit seiner Frau Tabitha lebt er in
Bangor, Maine. Stephen King hat eine Tochter und zwei Söhne.
Mr. Mercedes von Stephen King ist bei Heyne erschienen.
(JK 12/14)

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