Tao Lin: Taipeh (Dumont)

Der Roman Taipeh ist der dritte Roman von Tao Lin, der ihm in den USA zum endgültigen Durchbruch verhalf. Es war eines der meistdiskutierten amerikanischen Bücher im Jahr 2013 und ist nun in deutscher Übersetzung bei Dumont erschienen.

Paul, 25, lebt als Schriftsteller im New Yorker Stadtteil Williamsburg, und sein Leben dreht sich im Kreis. Phasen, in denen er nichts anderes tut, als seine Internetpräsenz in Endlosschleife zu aktualisieren, wechseln sich mit exzessiven Liebesabenteuern und Drogenexperimenten ab. Im Dauerrausch der Existenz treibt er nach Taipeh, zu den Wurzeln seiner Familie, und in die Arme von Erin, mit der er die vielleicht ungewöhnlichste Liebesbeziehung der Literaturgeschichte eingeht.

Pauls Odyssee ist ein Irrweg zu sich selbst, die beispielhafte Suche eines hochmodernen Menschen nach Wahrheit und Aufrichtigkeit, von der Tao Lin mit buddhistischer Ruhe und Konzentration erzählt. In seinem faszinierenden autobiografischen Roman, mit dem er in den USA zum gefeierten Literaturstar wurde, fängt er die vage Angst, den Verdruss und die Liebesunfähigkeit einer Generation ein, die die Welt hauptsächlich gefiltert durch soziale Netzwerke und leistungssteigernde Medikamente wahrnimmt. Wie nebenbei entstehen so Einsichten von existenzieller Wucht und ergreifender Tiefe.

Tao Lin ist einer der ersten Autoren, der sich seine Schreibkunst nicht über die traditionelle Buchseite oder die Printkultur angeeignet hat, sondern in und durch soziale Medien und das Internet. Für manche ist er der Inbegriff des jungen amerikanischen Hipster: cool, allwissend, ironisch. Für andere ist er auch der Inbegriff des jungen amerikanischen Hipster: selbst besessen, albern, angeberisch. Jeder Leser muss das für sich selbst entscheiden. Und dann kann man ihm getrost twittern.

Taipei ist wie ein Gebilde aufgebaut, um den Leser zu betäuben und zu entfremden. Es ist wie ein Spiegelkabinett, wo die Reflektion des Besuchers jede Spur des ursprünglichen Ausdrucks beseitigt, wo ein Lächeln zurückgeworfen wird wie ein erstarrter Mund. Unsere Internetexistenz bewohnt einen seltsamerweise unartikulierten Raum: wir sind imstande zu kommunizieren wie nie zuvor, wir sind aber auch imstande, uns so misszuverstehen wie nie zuvor. Die Effekte, die Tao Lin erschafft, sind befremdlich und frustrierend und dennoch ist sein Stoff ansteckend. Er durchdringt nicht nur das Schreiben sondern das Denken selbst.

Tao Lin, geboren 1983, ist der It-Boy der New Yorker Literaturszene und die Galionsfigur der „New Sincerity“-Bewegung. Der Autor von sieben Büchern studierte Journalismus an der New York University und unterrichtete Literatur am New Yorker Sarah Lawrence College. Seine Texte erschienen unter anderem in The Believer, New York Observer und Vice.

Taipeh von Tao Lin  ist bei Dumont erschienen. 
(JK 12/14)

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