Er weiß nicht mehr, was
er erlebt hat, was er in diesem Zug macht. Der Vollmond steht tief über dem
Horizont, eine graue Scheibe. Er sieht die Krater, die sandigen Meere. Er
erinnert sich nicht mehr, wer er ist. Der Mond, er ruft ihm etwas ins
Gedächtnis. Die Wolken. Den Wind. Er erinnert sich nicht. Er erinnert sich
nicht an die Geschichte.
Ein junger Mann wird in
einem unterirdischen Raum irgendwo in Ostafrika vernommen. Noch vor Kurzem
sollte er Kampfpilot in der ugandischen Luftwaffe werden. Er studierte an der
entsprechenden Akademie in Athen, er marschierte in einer weißen Uniform, er
entfernte sich von einer Kindheit voller Gewalt und war auf dem Weg in eine
Zukunft in den Wolken. Doch dann, wenige Monate vor seinem Examen, kommt es in
Uganda zum Staatsstreich. Idi Amin ergreift die Macht. Sein Regime wird zu
einem der blutigsten des afrikanischen Kontinents werden. Und genau in diesem
Moment trifft der junge Mann eine folgenschwere Entscheidung: Er wird nicht
zurückkehren ins mörderische Uganda, obwohl es ihm befohlen wird. Seine
Sehnsucht zu fliegen führt ihn später dennoch nach Afrika zurück und damit
geradewegs auf eine Wanderung durch die Hölle. Er wird zu einem Vertriebenen,
einem Flüchtling, dessen Leben auch in Schweden, wohin es ihn zum Schluss
verschlägt, durch Einsamkeit und Heimatlosigkeit gezeichnet ist.
Johannes Anyuru hat einen
fesselnden, berührenden Roman über seinen Vater geschrieben – und darüber, wie
ein Mensch von den Stürmen der Geschichte erfasst und gezwungen werden kann,
alles zu riskieren, um dem Tod zu entfliehen. Es ist ein Buch über persönlichen
Mut, das zeigt, wie eine einzige Entscheidung ein ganzes Leben verändern kann.
Es erzählt von der Tragik eines Menschenlebens, das exemplarisch für das Leben
so vieler Getriebener und Vertriebener im 20. Jahrhundert steht.
Ein Sturm wehte vom
Paradiese her ist ein sehr einfühlsamer, bewegender und berührender Roman,
der das Gefühle der Heimatlosigkeit und der Einsamkeit in der unbekannten
Fremde spürbar werden lässt.
Johannes Anyuru, geboren
1979, gilt als einer der wichtigsten jüngeren Autoren Schwedens. Er debütierte
2003 mit einer viel beachteten und hoch gerühmten Gedichtsammlung (Det är
bara gudarna som är nya / Nur die Götter sind neu). Für Ein Sturm
wehte vom Paradiese her, eine autobiografisch geprägte Annäherung an das Schicksal
seines Vaters, bekam er zahlreiche Preise verliehen. Der Roman wurde für den
wichtigsten Literaturpreis des Landes, den Augustpreis, nominiert sowie für den
Preis des Nordischen Rates. Ausgezeichnet wurde er mit den Literaturpreisen von
Svenska Dagbladet und Aftonbladet, er stand auf Platz 1 der Kritikerliste von
Dagens Nyheter und ist in sieben Sprachen übersetzt.
Ein Sturm wehte vom Paradiese her von Johannes Anyuru ist bei Luchterhand
erschienen.
(JK 10/17)
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