Erika-Haus
Mittwoch, 18.04.2018 19.30
Uhr
Martinistr. 52, Hamburg
Eintritt: 8 /
12 Euro
Urlandschaft
mit verlorenen Seelen: Margriet de Moor liest aus ihrem neuen Buch Von
Vögeln und Menschen, das bei Hanser erschienen ist. Margriet de Moor stellt ihren Roman zum Auftakt der
vom Stromnetz Hamburg und dem Literaturhaus zum zweiten Mal veranstalteten
Frühjahrslesetage vor.
Man kann Margriet de
Moors neuen Roman Von Vögeln und Menschen wie eine kriminologische
Ermittlung lesen und sich dabei von Höhepunkt zu Höhepunkt der dramaturgisch
genau getakteten, sehr spannenden Geschichte tragen lassen. Während
vordergründig von einem Mord erzählt wird, der eine kaum fassbare Verstrickung
nach sich zieht, toben im Hintergrund des vermeintlich leichten Kammerspiels
große Gefühle, es geht um Sehnsucht und Liebe, um Schutz und Geborgenheit, Hass
und Gewalt, Wut und Vergeltung. Die existentiellen Fragen, die Margriet de
Moor, eine der großen und weltweit übersetzten Autorinnen der
Gegenwartsliteratur, aufwirft, begleiten ihren Roman wie eine verwunschene
Melodie, die alles bestimmt und doch kaum hörbar ist.
Der Flughafen Schiphol
ist ein Traumreich für Vögel. Die sechs Start- und Landebahnen befinden sich in
einer von Wassergräben und Äckern durchzogenen, menschenleeren Prärie, einer
Urlandschaft, in der sich Brachvögel und Graugänse, Stockenten, Trauerelstern,
Falken, Eulen und Möwen in Scharen und nicht im geringsten beeindruckt vom
Flugzeuglärm herumtreiben. Ein Experte in der Vergrämung der Tiere ist der
Vogelliebhaber Rinus. Seiner geliebten Frau Marie Lina schickt er eines Tages
einen Wellensittich ins Gefängnis, der dort lernt „Gute Nacht“ zu sagen und zu
schnarchen. Ihr gemeinsamer Sohn Olivier begleitet ihn immer wieder zur Arbeit
auf den Flughafen und wird sonst oft von seiner Tante Hortense betreut, seit
seine Mutter eine Gefängnisstrafe absitzt. Sie hat in rasender Wut eine alte
Frau erschlagen. Der Roman beginnt damit, dass die Polizei in das Familienidyll
in der Mozartstraat einbricht. Marie Lina, Oberschwester auf einer
Intensivstation, wird im Schlafzimmer von der Polizei überrascht, wo sie
friedlich und glücklich neben Rinus im Bett liegt. Dass es Mord war und sie
keinerlei Reue empfindet, wird sie den Polizisten später sagen, dass sie „sehnlichst,
mit einem erschreckend köstlichen Verlangen physische Gewalt antun, genau
gesagt: sie töten“ wollte. Sie, das ist die Fußpflegerin Klazien Wroude, die
Marie Lina und ihre Mutter Louise vor vielen Jahren durch einen skrupellosen,
nie vollständig aufgeklärten Gewaltakt in eine jahrzehntelange, unheilvolle
Beziehung bringt. Margriet de Moor fächert in Von Vögeln und Menschen
Stück für Stück dieser abgründigen Geschichte auf, die sehr unaufgeregt in den
Alltag einer ganz normalen Familie eingebettet ist und in einen kathartischen
Racheakt mündet. Am Ende sitzen sie einträchtig und zivilisiert im Garten
zusammen, auch Marie Lina ist wieder heimgekehrt in ihr durch und durch
prächtiges Familienleben. Obwohl gleich nebenan etwas anderes zu Hause ist, das
jederzeit hereinbrechen kann. Mit all seiner dunklen Machtart.
Sie studierte
Klavier und Gesang, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Bereits ihr erster
Roman Erst grau dann weiß dann blau (1993) wurde ein sensationeller
Erfolg. Heute sind ihre Romane und Erzählungen in alle Weltsprachen übersetzt. Margriet
de Moor lebt in Amsterdam.
Von Vögeln und Menschen von Margriet de Moor ist bei Hanser erschienen.
Eine Veranstaltung der Stromnetz
Hamburg GmbH und Literaturhaus Hamburg
(JK 04/18)
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